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Rosenfolter

Rosenfolter

Titel: Rosenfolter
Autoren: Friederike Schmöe
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vor
der Eröffnung das Gelände kennenzulernen, und mit einem Kajak zur äußersten Spitze
der ERBA-Insel hinübergepaddelt war. Das war gestern gewesen. Wie das Ohr, waren
auch Finger und Hand auf einem mit Weidenzweigen eingefassten Rosenkissen drapiert
gewesen. Katinka faltete den Fränkischen Tag zusammen und widmete sich ihrem Latte.
Gegenüber am Kranen wallte eine Horde Touristen vom Ausflugsschiff. Gleich würden
sie das Café stürmen, um ihre Wartezeit auf den Bus zu verkürzen.
    »Haben Sie meinen
Artikel gelesen?«, surrte eine Stimme in ihr Ohr.
    »Dante Wischnewski.
Wer anders könnte an einem solchen Tag durch die Stadt spuken.«
    Es war nicht despektierlich gemeint. Sie mochte den rasenden Jungreporter,
der ihr immerhin schon bei zwei Kriminalfällen in der letzten Zeit sekundiert hatte.
Dante war jünger als Katinka, in den frühen Zwanzigern, hatte kaum Haare auf dem
Kopf, dafür eine Menge Flausen darin. Er brannte für die gute Sache: seine Karriere
als Journalist, die örtliche Zeitung und berauschende Storys. Letztere hatte ihm
der Ohr-, Finger- und Handabschneider gerade geliefert.
    »Setzen Sie sich. Das tun Sie sowieso.« Katinka versuchte, ihrer Stimme
etwas Resigniertes zu geben, aber er sah sofort, dass es freundlich gemeint war.
    »Sie grinsen, das
heißt, Sie sind guter Laune. Was wiederum bedeutet: Die Geschäfte laufen gut. Sind
Sie am Gliederschnippler dran?«
    »Falsch getippt.
Damit habe ich gar nichts zu tun.«
    »Und der Hauptkommissar?«
    »Ebenso wenig.
Solange da keine Leiche ist, braucht es keine Mordkommission.«
    »Die Frage ist
doch: Stammen Ohr, Finger und Hand von derselben Person?« Dante warf sich auf den
Korbstuhl Katinka gegenüber und kramte in seinem enormen Rucksack. Er förderte ein
Basecap hervor und stülpte es sich über. »Muss höllisch aufpassen. Sonnenbrand auf
der Platte – es gibt nichts Schlimmeres.«
    »Sie schreiben
doch, dass alle drei Teile von verschiedenen Menschen stammen.«
    »Verschiedenen
Männern. Gut achtgeben, Frau Ermittlerin.« Dante wedelte eine Wespe vor seinem Gesicht
weg. »Sind die Mistviecher auch schon wieder unterwegs? He, Bedienung, einen Espresso
bitte!«
    Katinka wies auf
die Menschentraube, die sich über die Straße auf die Cafébar zu wälzte.
    »Obacht! Jetzt
werden erst die Touris versorgt.«
    »Egal!« Dante beugte
sich vor. »Der Schnippler muss begabt sein, mit dem Messer, meine ich. Der Experte
sagt, er hätte ein japanisches Tranchiermesser benutzt, wie sie für Sushi-Häppchen
hilfreich sind. Scharf wie ein Porno nach eins im Privatfernsehen.«
    »Also sind sämtliche
Fingerabdrücke …«
    »… weggeschnitten.
Schon sehr speziell. Da hat sich einer viel Mühe gegeben.«
    »Nehmen wir an,
dass die Abdrücke in den einschlägigen Datenbanken gespeichert sind«, nickte Katinka.
»Aber niemand soll je herausfinden, wer die Opfer sind.«
    »Ich sage Ihnen
was, Frau Palfy: Ohr und Finger, die Wunden können Sie sich zur Not selbst versorgen.
Aber eine abbe Hand?«
    »Innovative Sprachgestaltung,
lässt Ihr Deskchef sicher nicht durchgehen.«
    Dante winkte ab.
»Die Bullerei hat sämtliche Kliniken in Franken abgesucht, überall hin Anfragen
geschickt. Arztpraxen, ambulante Chirurgen, was weiß ich, alles abgegrast. Kein
Einohriger, Neunfingriger oder Einhändiger hat sich gemeldet.«
    Katinka schüttelte
sich. Unwillkürlich griff sie sich an beide Ohrläppchen. Was sie am meisten gruselte,
war die Akribie, mit der der Täter zu Werke gegangen war. Nachdenklich betrachtete
sie ihren Latte.
    »Ohr und Finger
sind jeweils circa 24 Stunden nach der Operation gefunden worden«, berichtete Dante.
»Die Hand war frischer. Angeblich keine drei Stunden, nachdem sich ihr ursprünglicher
Besitzer von ihr verabschiedet hat.«
    Sie konnte es nicht
lassen: Im Geiste machte sie sich bereits eine Notiz. Für die plötzliche Temposteigerung
mochte es einen Grund geben.
    »Die Bullerei sucht
fieberhaft nach einer Floristin, die diese Rosenkissen angefertigt haben könnte.
Wobei man dafür nicht unbedingt vom Fach sein muss. Als hobbymäßiger Blumenliebhaber
kriegt man so eine schnuckelige Unterlage sicher auch gebacken.« Dante holte tief
Luft. »Dann die Symbolik. Wofür stehen Ohr, Finger, Hand? Ich habe Dutzende Lexika
abgegrast. Es gibt alle möglichen religiösen und sonstigen Deutungen. Nehmen Sie
nur die Hand. Sie steht für Selbständigkeit, denken Sie an den Spruch ›sein Leben
in die Hand nehmen‹.«
    »Hand
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