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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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Mögen die Leute die Zettel? Die würden doch bestimmt nicht anrufen, wenn ihnen die Sprüche nicht gefallen würden, oder?«
    Für einen Moment starrt der Dicke Moritz einfach nur an. Dann springt er auf und brüllt: »Hauen Sie bloß ab! Ich will Sie hier nie wieder sehen!«
    »Könnte ich die vielleicht …« Moritz zeigt auf die Blätter, die immer noch auf dem Schreibtisch liegen.
    »Raus!«
    Ich hatte das mit den Zetteln von Anfang an für keine gute Idee gehalten.

11 / 10 / 2015  – 13 : 00  Uhr
    Seinen freien Nachmittag verbringt Moritz in einer großen Buchhandlung. So einer, die sich über drei Stockwerke erstreckt und in der es mindestens eine Milliarde Bücher gibt, wenn nicht mehr. Moritz hat den Kittel im Lager gelassen und trägt jetzt ein T-Shirt mit dem Aufdruck » NSA  – NO SUCH AGENCY «.
    Scheinbar ziellos läuft er zwischen den Regalen entlang. Hier und da nimmt er sich ein Buch von dem Tisch mit den Bestsellern, blättert darin herum und stellt es wieder zurück. Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass er dabei immer wieder zwischen den Seiten einige seiner Zettel versteckt. Er macht das wirklich gut, und selbst ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, was er da eigentlich treibt. Auf den Zetteln stehen Nachrichten wie »Glaubt nicht mal, was ihr seht«, »Ihr habt euren Kopf nicht nur zum Hütetragen« oder »Sie wissen, was ihr lest«. Harmlose Spielchen, trotzdem stellt sich Moritz so vor die Regale, dass die Überwachungskameras nur seinen Rücken filmen können.
    Zu den Kameras hat er übrigens seine ganz eigene Theorie: Um Ladendiebe geht es dabei nur in zweiter Linie. Die Kameras dienen einem ganz anderen Zweck. Man will wissen, was die Leute lesen, welche Gedanken sie bewegen. »Man« – das sind in dem Fall nicht die, denen das Geschäft gehört, die natürlich auch, aber vor allem ist das der Staat. Das stellt Moritz sich so vor: In einem schäbigen Hinterzimmer hocken eine Handvoll Männer und trinken dünnen Kaffee aus Plastikbechern, während sie auf Überwachungsmonitoren das Geschehen in der Buchhandlung beobachten. Die registrieren dort ganz genau, welches Buch man in die Hand nimmt, was man kauft oder nicht kauft. Die Daten werden dann alle zentral gesammelt und ausgewertet. Wer sich für billige Kitschromane interessiert, wird die Welt nicht verändern wollen. Wer aber zu den großen Denkern greift, könnte der Regierung über kurz oder lang gefährlich werden. »Und das wissen sie. Das wissen sie ganz genau«, so Moritz.
    Ich habe das extra in meinen alten Aufzeichnungen nachgeschlagen, da steht es blau auf weiß. Blau, weil ich immer mit Kuli schreibe. Ich hatte es mir damals sogar noch unterstrichen, weil ich die Idee mit den Männern mit den Monitoren so rührend fand. Als ob man dafür heute noch Leute brauchte. Das machen längst irgendwelche Computerprogramme.
    Moritz hockt jetzt vor einem Regal und zieht sich ein Buch heraus: Igor Karelskis
Noch ist Atlantis nicht verloren
. Karelski ist einer von Moritz’ ganz großen Vorbildern. Vielleicht, weil der sich ähnlich verrückte Storys ausdenkt wie er selbst, dabei allerdings deutlich erfolgreicher ist. Der Mann verkauft zwar nicht so unheimlich viele Bücher, aber in bestimmten Kreisen genießt er Kultstatus, da er als absolut unbestechlich gilt und nur schreibt, was sich sonst angeblich niemand zu sagen traut. Verschwörungstheorie und ähnlichen Unsinn, wie etwa:
Die
NASA hat seit Jahren Kontakt zu Außerirdischen, hält das jedoch geheim.
Oder:
Die Amis haben am 11 . September die Twin Towers selbst in die Luft gejagt, um den Heiligen Krieg gegen die arabische Welt ausrufen zu können.
So etwas glauben mehr Leute, als man meinen würde, und für die ist Karelski so eine Art Prophet. Moritz glaubt den Blödsinn nicht, aber er weiß einen guten Geschichtenerzähler zu schätzen. Und das ist Karelski, das ist er wirklich.
    Moritz hockt vor dem Regal und blättert neugierig in Karelskis neuem Buch. Im nächsten Augenblick ist es auch schon unter seinem T-Shirt verschwunden. Das ging alles verdammt schnell, und wenn ich auch nur für einen Moment unaufmerksam gewesen wäre, hätte ich das gar nicht mitbekommen. Moritz steht jetzt auf und schlendert möglichst unaufgeregt Richtung Hauptausgang.
    Leider bin ich nicht der Einzige, der ihn beobachtet hat. Eine der Überwachungskameras hat ihn schon vor einer Weile ins Visier genommen, und das beweist ja wohl, dass die doch nur wegen der Ladendiebe da
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