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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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Päckchen mit einer rosafarbenen Kristalllampe und einer Vorteilspackung Schlankheitspillen liegen. Moritz hakt die Liste ab und verschließt die Box mit einem großen Klebebandabroller. Dann schmeißt er den Karton mit Schwung auf ein Fließband, das mit einer ganzen Reihe weiterer zerbeulter Pakete auf eine Luke am Ende der Halle zuruckelt.
    Als Moritz nach dem nächsten Bestellzettel greift, tippt ihm von hinten ein Mann auf die Schulter. Er trägt den gleichen weißen Kittel und spricht kurz mit ihm. Moritz nickt und geht zwischen den hohen Regalen davon, während sein Kollege auf dem Gabelstapler Platz nimmt und sich den Bestellungen auf der Liste widmet.
    Moritz verlässt die Halle durch eine kleine Tür, die in ein Treppenhaus führt. Nach zwanzig Stufen kommt eine Glastür, hinter der ein Großraumbüro liegt. An den Tischen sitzen etwa dreißig Männer und Frauen, die am Telefon Bestellungen entgegennehmen und in die Computer eingeben, die vor ihnen stehen. Obwohl so viele Menschen gleichzeitig reden, ist es leiser als erwartet. Als Moritz auftaucht, wird es einen Moment lang sogar noch stiller. Die Männer und Frauen lassen für eine Sekunde die Telefone sinken und starren ihn an, nicht unfreundlich, eher amüsiert. Ein paar der jüngeren Frauen kichern sogar. Als die Sekunde vorüber ist, widmen sie sich wieder den Anrufern, und niemand achtet mehr auf Moritz. Er läuft an den Schreibtischen vorbei, quer durch den Raum auf eine mit hellbraunem Leder gepolsterte Tür zu, die sich genau an der gegenüberliegenden Seite des Großraumbüros befindet.
    »Sie wollten mich sprechen, Chef?!«, sagt Moritz, als er das Zimmer betritt.
    »Da sind Sie ja endlich, Rosendorfer!«, begrüßt ihn ein Mann mit einem so erstaunlichen Bauchumfang, dass der Bürostuhl, auf dem er sitzt, mit Sicherheit eine Extraanfertigung ist. Der Dicke hockt hinter einem Schreibtisch, der größer ist als eine Tischtennisplatte. Trotzdem gibt es nicht viel Platz, weil alles mit aufgerissenen Kartons vollgestellt ist. In den Paketen sind Warenproben aus den neuen Kollektionen: violett leuchtende Lampions, Gartenzwerge, Akku-Tranchiermesser, Massagekissen. Alles Zeug, das kein Mensch braucht. In einer Ecke läuft tonlos ein Plasmabildschirm, auf dem eine Frau hellgrüne Katzenkratzbäume in Palmenform zum Sensationspreis von 69  Euro anbietet. Das steht in einem Textbalken, in dem den Zuschauern auch die Telefonnummer für die Bestellung verraten wird, obwohl die meisten Stammkunden die auf ihrem Telefon bestimmt längst unter ihren Top-Fünf-Favoriten abgespeichert haben. Unter dem Bild läuft ein Laufband von rechts nach links über den Bildschirm, auf dem behauptet wird, dass von den Kratzbäumen nur noch 55  Stück da sind und es jede Sekunde weniger werden.
    Ich halte das für eine Lüge, damit die Leute schnell zuschlagen, aus Angst, es könnte sonst alles weg sein.
    »Können Sie sich denken, warum ich Sie sprechen will?«, fragt der Dicke, und sein Gesichtsausdruck verrät, dass es hier nicht um eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung geht.
    »Keine Ahnung«, erwidert Moritz.
    Der Mann nimmt einen Zettel, der zwischen den Kartons auf seinem Schreibtisch liegt, und liest laut vor: »Rückrufaktion: Durch die bedauerliche Verwechslung eines Containers im Hafen von Rotterdam kann sich in den Köpfen einiger Porzellanpuppen der Modellreihe
Schmollende Miriam
Kokain in hoher Konzentration befinden. Sollten Sie in den letzten zwei Wochen eine
Schmollende Miriam
bestellt haben, wenden Sie sich bitte umgehend an die nächste Polizeidienststelle.«
    Der Mann lässt das Blatt sinken und sieht Moritz an. »Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?«
    Moritz zieht die Stirn in Falten, so als würde er intensiv nachdenken. Dann schüttelt er den Kopf. »Nein, aber das ist ja entsetzlich! Wer tut denn so was?«
    Der Dicke sieht Moritz wütend an und nimmt einen anderen Zettel von seinem Tisch.
    »Oder hier, wie gefällt Ihnen das? ›Auch die hellste Tiffanylampe wird euer düsteres Leben nicht erleuchten!‹« Der Mann zerknüllt das Blatt und greift nach einem weiteren Blatt Papier. »Oder der hier, der ist auch schön: ›Porzellanpuppen wärmen nicht.‹ Können Sie mir erklären, wie diese Zettel in unsere Pakete kommen?«
    »Irgendjemand wird sie da reingetan haben«, erwidert Moritz unbeeindruckt.
    »Irgendjemand? Wollen Sie mich verarschen? Drüben in der Reklamation stehen die Telefone nicht mehr still«, schreit der Dicke.
    »Und?
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