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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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sagt der Fremde und holt eine Visitenkarte aus seiner Anzugtasche. Dabei fällt ihm ein Zehneuroschein heraus und landet auf dem Boden.
    Moritz bückt sich und hebt ihn auf. »Wenn man alle Zahlen auf dem Schein zusammenzählt, kommt man auf 666 . Die Zahl des Teufels. Wussten Sie das?«, fragt Moritz, als er den Schein zurückgibt.
    »Tatsächlich? Ich hatte keine Ahnung«, erwidert der Mann überrascht.
    »Stimmt auch nicht, aber wenn man es behauptet, glauben einem das fast alle. Niemand macht sich die Mühe, es nachzuprüfen«, erklärt Moritz und zeigt auf die Europakarte, die auf dem Schein abgebildet ist. »Aber das hier stimmt. Sehen Sie mal genau hin. Wenn Sie den Zehner auf den Kopf stellen, können Sie die Fratze des Teufels erkennen. Ist alles dran: Hörner, Augen und Mund bei Spanien und Portugal, England ist sein linker Arm und Italien Satans Hinkefuß. Glauben Sie an Zufälle? Ich nicht.«
    Aus meinem Portemonnaie krame ich einen Zehner, um es nachzuprüfen. Moritz hat recht. Man braucht gar nicht viel Phantasie, um das Bild des Teufels zu erkennen.
    Den Fremden scheint das mindestens genauso zu beeindrucken wie mich. Vorsichtig steckt er den Schein zurück in die Brusttasche seines Anzugs und drückt Moritz seine Visitenkarte in die Hand. »Bis bald, hoffe ich. Sehr bald.«
    »Thomas Hobbe – Geschäftsführer Hypothesen-Verlag«, liest Moritz leise vor.
    Als er von der Karte aufsieht, ist der Fremde verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst. Hat er natürlich nicht, er ist schnell in der Menge untergetaucht und zur Tür raus, aber das hat Moritz nicht gesehen. Er hatte es ziemlich eilig, und im Gegensatz zu Moritz schien es ihn nicht die Bohne zu interessieren, wer an diesem Abend gewinnt.
    »Was ist? Hast du mich schon so vermisst?«, fragt Anne, die vom Klo zurückgekommen ist und Moritz’ suchenden Blick bemerkt.
    »Da war gerade so ein Typ, dem meine Geschichte gefallen hat. Er hat mir die Karte hier gegeben.« Moritz schaut sich immer noch um. »Ich soll ihn mal …«
    Weiter kommt er nicht, weil der Brillenmützenmann auf die Bühne gesprungen ist und laut ruft: »Die Richter haben entschieden, und ich habe die Ehre, das Urteil zu verkünden! Dritter von vieren ist …« Er macht eine kurze Pause, um die Spannung zu steigern. »Moritz Rosendorfer und sein gruselig spookiges Höhlengleichnis! Bitte Applaus, Applaus!«
    »Nimm’s nicht so schwer.« Anne gibt Moritz einen Kuss und fährt Moritz mit der Hand über seine unrasierte Wange. »Du warst super, und die hier haben doch alle keine Ahnung. Komm, lass uns gehen.«
    Gute Idee! Ich würde heute nämlich auch gern noch mal Feierabend machen.

10 / 10 / 2015  – 23 : 05  Uhr
    Anne hockt hinter Moritz auf der Sitzbank seines alten Motorrollers. Über das schwarze Kunstleder ziehen sich Klebestreifen, die die vielen Risse und Löcher verdecken. Es ist eine milde Spätsommernacht, und Anne hat die Arme um Moritz geschlungen. Ihre Wohnung liegt nur ein paar Kilometer von der SonderBar entfernt. Sie hat da ein kleines Zimmer mit Bad und Küche im dritten Stock, das habe ich überprüft.
    Moritz stoppt den Roller vor dem Haus. Anne steigt von der Sitzbank und nimmt ihren Helm ab. Ihre Haare leuchten im Mondlicht, das zwischen ein paar Wolkenfetzen hindurchscheint. Moritz zieht erst den Schlüssel aus dem Zündschloss, dann nimmt auch er den Helm ab. In seinen Augen schimmert immer noch die Enttäuschung über den dritten Platz von vieren. Ich hätte gedacht, da steht er drüber. Tut er aber nicht. Wie alle Autoren will er Anerkennung, und davon bitte schön nicht zu wenig.
    »Sei nicht mehr traurig, dass du nicht gewonnen hast«, versucht Anne ihn zu trösten und greift nach seiner Hand, die auf dem Lenker des Rollers liegt.
    »Ach was, das ist mir doch so was von egal«, schwindelt Moritz. Dabei kaut er wieder auf der Unterlippe, genau wie vorhin auf der Bühne.
    »Besser wär’s«, seufzt Anne und zieht ihre Hand wieder fort von seiner.
    »Vielleicht war ich heute einfach nur nicht gut genug.« Moritz sieht sie nicht an, sondern starrt auf die Tankanzeige seines Rollers.
    »Doch, das warst du! Aber deine Geschichten, die passen eben nicht in die SonderBar. Außerdem ist das da sowieso die reinste Ausbeutung. Ihr sorgt dafür, dass der Laden voll ist, und als Dank dafür bekommt einer von euch einen Wanderpokal.«
    »Schon möglich«, erwidert Moritz wortkarg und wischt mit dem Ärmel über den verkratzten Glasdeckel der
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