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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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Anzeige.
    »Das ist nicht nur möglich, das ist so. Glaub mir! Du warst gut heute Abend«, sagt Anne und legt ihre Hand wieder auf seine.
    Moritz will von seinem Roller absteigen, aber Anne gibt ihm schnell einen Kuss auf die stoppelige Wange.
    »Lass mal, ich geh heute lieber allein rauf. Ich bin schrecklich müde. Nicht böse sein, ja?!« Anne strubbelt sich mit den Fingern durch ihre blonden halblangen Haare, weil die wegen des Helms platt an ihrem Kopf anliegen.
    »Okay«, kommentiert Moritz einsilbig.
    »Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt, Moritz. Ich habe seit heute früh um sechs in der Klinik gestanden«, erwidert Anne, die im Krankenhaus eine Ausbildung zur Krankenschwester macht. Ihre Stimme klingt angespannt. Wahrscheinlich ist sie wirklich müde.
    »Ich sag doch, es ist okay«, sagt Moritz und starrt wieder auf die Tankanzeige, als wenn sich dort in der Zwischenzeit entscheidende Veränderungen ereignet hätten.
    »Wenn du dir einen Job suchen würdest, wüsstest du, was das heißt.«
    Ich kenne die Diskussion schon, und selbst der Mond hat sich hinter eine Wolke verzogen, als wollte er sich das, was jetzt unweigerlich folgt, lieber ersparen.
    »Ich hab einen Job.«
    Das sagt Moritz jedes Mal.
    »Ich meine einen richtigen.«
    Sie auch.
    »Mein Job ist richtig. Ich bin beim Fernsehen!«
    Anne stöhnt, sagt aber nichts. Stattdessen gibt sie Moritz einen Abschiedskuss auf den Mundwinkel. Dann läuft sie zur Haustür. Moritz sieht ihr schweigend nach. Kurz bevor sie aufschließt, dreht Anne sich noch einmal um.
    »Lass uns morgen Abend was essen gehen, ja? Morgen hab ich früher frei, da bin ich nicht so müde!«, ruft sie, weil sie den Abend anscheinend doch irgendwie noch versöhnlich beenden will.
    Moritz nickt nur.
    »Tut mir wirklich leid, dass du nicht gewonnen hast.«
    »Nicht so tragisch, war eh nicht so gut, die Story.«
    »Dem Mann, der dir seine Karte gegeben hat, scheint sie aber doch gefallen zu haben.«
    »Der wurde von der Bar engagiert, um mich auf den Arm zu nehmen. Das war
Versteckte Kamera
oder so. Geh lieber hoch und schlaf dich aus. Wir sehen uns morgen.«
    Anne läuft noch einmal zu ihm zurück und klopft mit ihren Fingerknöcheln zärtlich gegen seine Stirn.
    » TOK , TOK , TOK  … Ich bin jedenfalls froh, dass du deinen Kopf noch hast.«
    Moritz muss grinsen, er kann gar nicht anders. Anne küsst ihn ein letztes Mal, flüstert: »Bis morgen, pünktlich um acht«, dann verschwindet sie endgültig im Hausflur. Durch die Milchglasscheiben des Treppenhauses kann man ihre Silhouette die drei Etagen hochsteigen sehen.
    Moritz wartet, bis das Licht im Flur erloschen ist, dann startet er seinen Roller.
    Er fährt nach Hause und ich auch.
    Endlich.

11 / 10 / 2015  – 10 : 12  Uhr
    Es stimmt. Moritz hat tatsächlich einen Job beim Fernsehen. Er arbeitet bei einem Homeshopping-Kanal, und seine höchst verantwortungsvolle Aufgabe besteht darin, all die Dinge in Kartons zu packen, die schlaflose Menschen nachts vor der Flimmerkiste übers Telefon bestellt haben. Das Warenlager ist riesig, größer als drei Fußballfelder, und damit sind keine Bolzplätze, sondern richtig große Stadionformate gemeint. Die Kisten stapeln sich auf Stahlregalen bis unter die Decke, und ohne einen kleinen Gabelstapler geht da gar nichts. Moritz hat einen weißen Kittel an, macht ein gelangweiltes Gesicht und ist mit so einem Ding zwischen den Regalen unterwegs. Neben ihm auf dem Beifahrersitz liegt ein Bestellzettel, damit er weiß, was er wo abholen muss, um es in einen Karton zu packen.
    Moritz hält vor einem der Hochregale und lässt die Gabel seines Staplers bis in die fünfte Etage gleiten, um von dort einen Karton mit einer Porzellanpuppe herunterzuholen. Wenn man der Aufschrift trauen darf, trägt die Puppe den Namen
Fröhliche Veronika
und auf ihrem Kopf echtes Menschenhaar. Wahrscheinlich kommen die Haare aus Indien oder Pakistan, zumindest die schwarzen. Vielleicht aber auch aus dem nächsten Friseursalon, wo sich der Chef ein paar Euro dazuverdient, indem er die abgeschnittenen Haare seiner Kundinnen an die Puppenindustrie weiterverkauft. Jetzt erzähl ich selbst schon so Geschichten, wie Moritz sie sich ausdenkt.
    Moritz jedenfalls lässt die Schachtel mit der Puppe vorsichtig auf den dunkelgrau gestrichenen Betonboden hinunter. Dann steigt er gemächlich von seinem Gabelstapler, als hätte er alle Zeit der Welt, nimmt den Karton und packt ihn in einen größeren, in dem bereits zwei weitere
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