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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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absolut wahr ist.«
    Hobbe läuft tatsächlich im Kreis um Moritz herum. Ich drücke mich eng an die Wand der Grotte. Bestimmt hat er ein Nachtsichtgerät, und ich habe kein Interesse, plötzlich auf seinem Schirm aufzutauchen. Außerdem ist es gut, den festen harten Stein im Rücken zu spüren. Das hilft mir, ruhig und konzentriert zu atmen.
    »Ist sie jetzt ja auch«, erwidert Moritz.
    »Weißt du, Moritz, du hattest recht, damals in meinem Büro. Die Legenden allein waren zu schwach.«
    »Zu schwach wofür?«
    »Um die Menschen einzuschüchtern, wozu sonst?! All deine Geschichten hatten eine Moral. Eine Moral, die den Menschen guttut: Mach nichts Verbotenes, bleib lieber zu Hause, verhalte dich ruhig und unauffällig. Wer sich daran hält, lebt länger. Aber wenn sie wahr sind, ich meine, wenn sie wirklich wahr sind, ist ihre Wirkung einfach noch stärker.«
    »Und da haben Sie das alles mal eben so in die Realität umgesetzt?«
    »Das ist kein Spiel, Moritz. Das dient alles einem höheren Ziel. Es soll die Menschen erziehen, zu braven Bürgern, die keinen Blödsinn machen. Das war quasi unser Auftrag, den wir von der Regierung bekommen haben.«
    »Was denn für eine Regierung? Wovon reden Sie?« Moritz ist verwirrt. Ich auch.
    »Hast du mir die Geschichte mit meinem Sohn etwa abgekauft? Du enttäuschst mich schon wieder. Ich hatte nie einen.«
    »Aber das Foto auf Ihrem Schreibtisch?«
    »Das war das Bild irgendeines jungen Mannes, der dir ähnlich sah. Ich war mir sicher, dass du auf die Vater-Sohn-Kiste anspringen würdest.«
    »Ich versteh kein Wort. Wozu das Ganze?«
    Moritz steckt jetzt so richtig im Fragemodus fest. Ich hätte auch noch einige, und zum Glück ist sich Hobbe seiner Sache so sicher, dass er bereitwillig Auskunft gibt. Man kann richtig hören, wie stolz er auf seine Leistung ist.
    »Stell dir den Hypothesen-Verlag als geheime Unterabteilung eines geheimen Ministeriums unseres Staates vor. Eine Unterabteilung mit einer nie versiegenden Quelle geheimer Gelder. Ich denke, das kommt der Sache am nächsten.«
    Das wird ja immer besser. Hätte ich das geahnt, hätte ich den Auftrag abgelehnt. Aber dazu ist es jetzt zu spät.
    »Der Staat hat Gesetze, der braucht keine Geschichten.«
    »Gesetze?! Wer hält sich denn schon daran? Geschichten sind viel wirkungsvoller als Gesetze.«
    »Dafür haben Sie Menschen sterben lassen!«
    Hobbe kichert, weil er Moritz’ Einwand anscheinend für etwas naiv hält.
    »Wie viele von denen gibt es? Achtzig Millionen bei uns, sieben Milliarden auf der ganzen Erde. Was machen da schon zehn, zwanzig oder ein paar mehr, wenn man dafür Hunderttausenden ein bisschen Angst macht und sie so vor Schlimmerem bewahren kann? Verlier nicht die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick, Moritz! Es geschieht nur zu ihrem Besten.«
    »Aber die Menschen sind frei. Sie können selbst entscheiden, was gut oder schlecht für sie ist.«
    Hobbe lacht. Sein Lachen prallt von den Wänden ab und kommt als Echo zurück. Ich würde eine Menge dafür geben, wenn ich wüsste, wo er steckt.
    »So frei wie du?«, fragt Hobbe zurück.
    »Zum Beispiel.«
    »Als wenn du frei wärst. Dein Vater verfolgt dich, auch wenn du ihn nicht leiden kannst. Gefallen willst du ihm trotzdem, du willst, dass er auf dich stolz ist. Außerdem bist du verliebt. Übrigens ein bezauberndes Mädchen, und so hilfsbereit. Etwas Unfreieres als die Liebe gibt es auf der ganzen Welt nicht. Und warum bist du überhaupt hier? Schon mal darüber nachgedacht? Aus freiem Willen? Lächerlich. Dein Gewissen hat dich gezwungen. Du bist sein Sklave.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Was ich glaube, ist völlig unerheblich. Das große Ganze ist wichtig, und deswegen bist auch du wichtig. Ich brauche dich. Wir brauchen dich. Dich und deine Geschichten.«
    »Sie haben keine Chance. Gleich wimmelt es hier vor Polizisten.«
    »Glaube ich eher nicht. Du hast ihren Tee verschmäht, da sind die nachtragend. Außerdem würden sie dir die Geschichte sowieso nicht abnehmen. Sie haben keine Phantasie, nicht so wie du.«
    Hobbe ist gut informiert, das muss ich neidlos anerkennen.
    »Entscheide dich: Willst du weiter dein armseliges kleines Schreiberleben fristen oder Teil einer großen Sache sein? So ein Angebot kriegt man nur einmal im Leben. Dir mache ich es schon zum zweiten Mal. Erinnere dich: Du hast es doch auch genossen, über dem dummen, leichtgläubigen Rest zu stehen.«
    »Mir reicht völlig, wo ich gerade stehe.«
    Moritz hebt
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