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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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würde. Moritz nicht. Das ist sein Pech. Für einen kurzen Moment ist er abgelenkt. Genug Zeit für Hobbe, ihm die Waffe abzunehmen und wieder auf die Beine zu kommen. Er steht über Moritz und hält die Pistole auf ihn gerichtet, als Anne die Grotte erreicht und die beiden im Licht der Lampen sieht.
    »Hau ab! Verschwinde!«, schreit Moritz in ihre Richtung.
    Aber das hätte er sich sparen können, weil sie weder abhaut noch verschwindet, sondern zu ihm gelaufen kommt. Es wäre ja auch irgendwie inkonsequent, wenn sie ihm erst hinterherfährt, um gleich wieder umzudrehen, gerade dann, wenn es für Moritz gefährlich wird. Inkonsequent, aber vernünftig, denn dann könnte sie Hilfe holen. Aber so weit denkt sie nicht, nicht jetzt, dazu rauscht viel zu viel Adrenalin durch ihre Adern. Sie ist im Dunkeln durch die Höhle gestolpert, immer den Stimmen nach, nehme ich an. Dabei ist sie gestürzt, mehrmals, hat sich die Knie aufgeschürft und ihre Brille verloren.
    Anne wirft sich neben Moritz auf den Boden, nimmt ihn in die Arme und stammelt die ganze Zeit nur: »Es tut mir so leid, es tut mir so leid …«
    Moritz streicht ihr über die Haare, ohne die Waffe in Hobbes Hand aus den Augen zu lassen, und murmelt: »Ist ja schon gut, alles ist gut«, um sie beruhigen. Dabei ist hier überhaupt nichts gut.
    »Da haben wir es ja doch noch, unser Liebespaar. Genau wie in deiner Geschichte, Moritz. Das ist natürlich viel, viel besser«, schwärmt Hobbe. »Wie war das noch mal? Bricht sich das Mädchen erst den Knöchel, und dann wird der Junge enthauptet? Oder war es umgekehrt?«
    »Sie sind doch völlig verrückt! Damit kommen Sie nicht durch. Niemals!«, brüllt Moritz ihn an.
    Er ist aufgestanden und hat auch Anne auf die Beine gezogen. Eng umschlungen stehen sie Hobbe gegenüber. Die Lichtkegel der Lampen beleuchten die Szene, als stünden die drei im Scheinwerferlicht auf einer Bühne. Fast so wie Moritz damals in der SonderBar.
    »Eigentlich ist die Reihenfolge auch völlig egal«, fährt Hobbe fort, ohne auf Moritz zu reagieren. »Ihr werdet sicher verstehen, dass in meiner Version keiner von euch überleben wird. Lasst mich kurz nachdenken. Wie machen wir es am besten?«
    Hobbe tut so, als würde er intensiv nachdenken. Er genießt dieses Spiel, weil er denkt, dass er es gar nicht mehr verlieren kann.
    »Lassen Sie uns gehen, bitte!«, fleht Anne, aber auch darauf geht Hobbe nicht ein. Er hebt den Zeigefinger seiner linken Hand in die Höhe und ruft: »Jetzt weiß ich es: Als sie den abgeschlagenen Kopf ihres Freundes sieht, stürzt sich das Mädchen in den Abgrund! Das hört sich doch gut an, oder? Und das Beste ist, das ist noch nicht mal gelogen. Morgen früh wird man euch finden, und dann wird die Story wahr, weil sie wahr ist. Obwohl das bei deinem Talent eine echte Verschwendung ist.« Hobbe seufzt und schüttelt bedauernd den Kopf. »Wenn ich also bitten dürfte?«
    Mit dem Lauf seiner Waffe dirigiert er die zwei an den Rand des Abgrunds. Anne blickt panisch zu Moritz, der mit seinen Fingern beruhigend über ihren Rücken fährt. Dabei zittert seine Hand, weil er selbst Angst hat.
    »Das ist Mord! Kaltblütiger Mord!«, versucht Moritz es noch einmal. »Dafür gehen Sie in den Knast. Für immer.«
    »Das glaube ich eher nicht«, erwidert Hobbe unbeeindruckt. »Ich habe doch gesagt, dass ich in höherem Auftrag arbeite.«
    »Was denn für ein höherer Auftrag?«, fragt Anne, und ich bin nicht sicher, ob sie das wirklich interessiert oder ob sie nur Zeit schinden will. Aber Zeit wofür? Hilfe ist hier unten keine zu erwarten, und dass ich da bin, weiß von den dreien keiner.
    »Ich habe keine Lust, alles noch einmal zu erzählen«, erwidert Hobbe gelangweilt und stöhnt dabei theatralisch. »Das soll dir Moritz erklären, wenn ihr euch wiederseht, im Himmel oder wo auch immer.«
    Moritz und Anne fassen sich an den Händen, und auch wenn das sicher nicht der richtige Ort und die richtige Zeit ist, kann ich Anne ansehen, dass sie sich gern für ihre Leichtgläubigkeit hinsichtlich Hobbe entschuldigen würde. Aber das braucht sie gar nicht, das kann ich wiederum daran sehen, wie Moritz sie anblickt. Die beiden haben eine Ebene erreicht, auf der man keine Worte mehr braucht. In absolut lebensbedrohlichen Ausnahmesituationen ist das gar nicht so selten. Habe ich selbst schon erlebt.
    »Ladies first!«, verkündet Hobbe. »Lass sie los, Moritz, den letzten Schritt muss sie allein gehen. Du kommst später
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