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Rosen für die Kaiserin

Rosen für die Kaiserin

Titel: Rosen für die Kaiserin
Autoren: Guenter Krieger
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Lieblingsheiliger.
    Heute hat die Kirche ein anderes Aussehen als vor tausend Jahren, aber es gibt genug, was den Besucher an die Zeit der Ottonen erinnert. Eine monumentale, doppelgeschossige Bogenarchitektur kennzeichnet die Kirche. Romanische Bögen und Arkaden zeigen einen markanten rot-weißen Farbwechsel. Der Mittelraum des Westwerks wurde von Theophanu gestiftet. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, in dieser Kirche bestattet zu werden.
    Meine kunstinteressierte Frau Agnieszka liebt es, Kirchen zu besichtigen, und nachdem sie den Kennerblick ausgiebig hatte schweifen lassen, startete sie ihren Rundgang. Mich aber zog es geradewegs zum Grab der Theophanu. Ihr marmorner Sarkophag steht heute im Westwerk der Kirche. Als ich davorstand und mir vor Augen führte, dass darin die Gebeine jener Frau ruhten, die seit Monaten einen Großteil meiner Gedanken beanspruchte, packten mich Rührung und Ehrfurcht. Theophanu zählt zu den großen Persönlichkeiten ihrer Zeit, mehr noch, sie war eine der bedeutendsten Frauen des gesamten Mittelalters. Dass ihr Name heute nicht mehr jedem bekannt ist, lässt sich wohl dem Unbehagen ihrer Zeitgenossen zuschreiben. Eine Fremde, die nach dem Tod des Gemahls anstelle des unmündigen Sohnes regierte, die sich exotisch kleidete, aufsehenerregenden Schmuck trug und fremdländische Sitten einführte, die ihren männlichen Gegenspielern ebenbürtig oder meist sogar überlegen war, die sich niemandem beugte, die ebenso schön war wie klug, so klug, dass es manchem wie Hochmut vorkam – kein Wunder, dass diese Frau den Menschen in einem bäuerlich geprägten Reich nicht immer geheuer war, erst recht nicht den für die Geschichtsschreibung verantwortlichen Mönchen. Eine Art Lady Di des
10. Jahrhunderts.
    Ich stand vor dem Sarkophag und fragte mich, worüber wir uns wohl unterhalten würden, wenn sie – durch eine Zeitmaschine in meine Gegenwart versetzt – plötzlich leibhaftig neben mir stünde. Ob sie darauf bestehen würde, mein Skript gegenzulesen, damit ich keinen Unfug über sie, ihre Familie und ihre Zeit verbreite? Wer weiß. Es wäre ihr gutes Recht.
    An dem Relief an der Stirnseite des Sarkophags – es zeigt Christus, der das Herrscherpaar Otto und Theophanu krönt und segnet – entdeckte ich eine getrocknete rote Rose. Jemand hatte sie mit liebevoller Sorgsamkeit über dem Kopf der Kaiserin platziert. Also gibt es tatsächlich noch Menschen, die ihr Verehrung entgegenbringen.
    Und ich? Ich war eigens nach Köln gefahren, um Theophanus Grab zu sehen, und stand mit leeren Händen da. Geht’s noch achtloser? Als Romanautor müsste man eigentlich von selbst auf diesen poetischen Gedanken kommen. Mea culpa.
    Inzwischen traf auch Agnieszka mit der Digitalkamera bei mir ein. Ich stellte mich in Position, mal links, mal rechts vom Sarkophag und mal dahinter. Agnieszka machte eine Reihe von Fotos.
    »Guck doch mal entspannt. Warum fuchtelst du ständig mit den Händen? Leg sie einfach auf den Marmor.«
    »Ist das ehrfürchtig?«
    »Das hängt ganz davon ab, wie man dabei guckt.«
    Die Tatsache, dass ich neben den Gebeinen meiner Romanheldin stand, war Grund genug, angespannt und kribbelig zu sein.
    »Lächeln!«
    »An einem Sarkophag?«
    Als ich zu Hause die Fotos am PC anschaute, musste ich meiner Frau recht geben. Ich wirkte ziemlich verkniffen. Schon bald war es beschlossene Sache: Noch einmal würden wir nach Köln fahren müssen. Und diesmal würde ich nicht vergessen, der Kaiserin Blumen mitzubringen. Rote Rosen natürlich.
    Günter Krieger
     
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