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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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Achill angetreten hat, erweichen und überläßt ihm den Toten, den Apoll gütig vor Entstellungen und Verstümmelungen bewahrt hat. Achill hat sich, einem alten Schicksalsspruch der Götter entsprechend, damit selbst den Zeitpunkt seines Todes gesetzt: Bald, mein Sohn, weint seine Mutter vor sich hin, verblühet das Leben dir, denn nach Hektor ist dir dein Ende bestimmt.

    Hier schließt die Ilias. Von Achills Tod, von der List des Odysseus mit dem hölzernen Pferd, das die Trojaner als Beute in ihre Stadt ziehen, ahnungslos, daß in seinem hohlen Leib griechische Krieger verborgen sind, von der Zerstörung Trojas, der Befreiung der geraubten Helena und der Heimkehr der Griechen — von allen diesen Ereignissen erfahren wir erst durch Erzählungen in der Odyssee etwas. Die Odyssee räumt, so gut es geht, noch nachträglich mit der Ilias auf. Behalten Sie diese Wahrnehmung im Gedächtnis, wir werden noch einen interessanten Schluß daraus ziehen!
    Die Odyssee trägt ihre Bezeichnung nach Odysseus, einem der Großen unter den Griechen vor Troja, einem der Fürsten, der Berühmten, der Auserwählten der Götter. Er ist nicht so jung, nicht so strahlend, nicht so schön wie Achill, nicht so mächtig wie Agamemnon von Mykene oder dessen Bruder Menelaos von Sparta, aber an Zähigkeit, Härte,
    Klugheit und List allen überlegen. Seine Heimat ist die Insel Ithaka. Dort warten Penelope und sein inzwischen zu einem Jüngling herangewachsener Sohn Telemach seit 20 Jahren auf seine Rückkehr. Von den Schiffen des Odysseus und seinen Kriegern fehlt seit Ende des Krieges jede Nachricht. Er ist für die Welt verschollen, und Penelope kann sich der schmarotzenden Freier kaum noch erwehren.
    Die Odyssee setzt, genau nach dem Vorbild der Ilias, im zehnten Jahr ein. Die Götter beschließen, die Irrfahrten des Odysseus zu beenden. Der »große Dulder«, wie ihn Homer von nun an nennt, befindet sich in diesem Augenblick als Gefangener auf der Insel der Zauberin Kalypso, die in Liebe zu ihm entbrannt ist und ihm vom Himmel hoch alles verspricht, um ihn Penelope vergessen zu lassen. Nun aber enden Kalypsos Hoffnungen, denn Hermes, der Götterbote, überbringt ihr den Befehl, Odysseus freizulassen; und sie gehorcht. Der »große Dulder« baut sich ein schwankendes Floß und rudert aufs Meer hinaus. Schon sieht er neues Land in der Ferne, da entdeckt Poseidon, der Wellenbeherrscher, der »Erdumgürter«, sein unversöhnlicher Hasser und Peiniger, ihn wieder und zertrümmert mit fürchterlich brausendem Sturm und entsetzlicher Woge sein Floß. Mit letzter Kraft, nackt, rettet sich Odysseus schwimmend an den unbekannten Strand. Wieder ist es nicht Ithaka, sondern ein fremdes Land, die Insel der sagenhaften »glücklichen und schwelgerischen« Phäaken. Aber noch weiß er nicht, wo er sich befindet. Erschöpft steigt er ans Ufer, küßt die fruchtbare Erde (wunderschönes Bild) und sinkt nieder in das Schilf. So findet ihn Nausikaa, die Königstochter, mit ihren Mägden, gibt dem Fremdling Kleider und führt ihn zu ihrem Vater Alkinoos.
    Als der dämmernde Morgen mit Rosenfingern erwachte (ein Caspar-David-Friedrich-Bild!), erhebt sich Odysseus gestärkt und mit neuem Mut. Beim Mahle, das der König gastfreundlich dem Fremdling gibt (ich kenne ihn nicht, doch mein Herz gebietet’s), singt ein phäakischer Barde vom Trojanischen Krieg und den Heldentaten des berühmten Odysseus — da übermannt den »großen Dulder« die Wehmut, Tränen benetzen ihm Wimpern und Wangen (Beachten Sie: In der Ilias weint man aus Wut, in der Odyssee aus Wehmut!), und er gibt sich zu erkennen. Die Freude der Phäaken ist ebenso groß wie ihr Mitgefühl, und sie versprechen, ihn sicher nach Ithaka zu bringen. Jetzt erzählt er selbst die Geschichte seiner zehnjährigen Irrfahrt, von dem menschenfressenden Riesen Polyphem, vom Zauberschlauch des Windgottes Äolos, von Kirke (man schrieb früher Circe, wovon unser Wort becircen kommt), von seinem Sühneopfer an der Pforte der Unterwelt, wo ihm die Seelen Agamemnons, Achills und uralter Titanen erschienen und ihr Schicksal berichteten (bleiches Entsetzen ergriff mich; fürchtend, es sende mir jetzt die Göttin Persephone tief aus der Nacht auch noch die Schreckensgestalt des gorgonischen Unholds, floh ich eilends zum Schiffe) — von den blutdürstigen Sirenen und von der Fahrt zwischen den Seeungeheuern Skylla und Charybdis hindurch, die ihm den letzten Gefährten raubten. Auf den Trümmern von Balken rettete er
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