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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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erlesenen Helden, unter Führung von Agamemnon vor der Festung Troja, in der die geraubte Helena steckt). Homer beginnt: Eine Wanderjolle landet am Gestade, ein rüstiger Mann, der sich Chryses, Priester des Apoll, nennt, entsteigt ihr und läßt sich vor Agamemnon, König von Mykene und obersten Kriegsherrn des griechischen Heeres, führen. Er fordert von ihm seine Tochter zurück, die Agamemnon beim Anmarsch en passant geraubt hat. »Ich weiß«, sagt der gramgebeugte Prie-ster-Vater, »als berufsmäßiger Seher, daß die Götter euch be-schieden haben, Troja zu erobern und glücklich heimzukehren; darum sei milde und erfülle meine Bitte.« Agamemnon besinnt sich kurz, dann lehnt er, in Gedanken an die schönen wollnen Leibchen, die ihm die Chryses-Tochter strickt, ab. Halten Sie das bitte nicht für Fernausche Diktion, Homer läßt Agamemnon wörtlich sagen:

    Daß ich niemals, o Greis, mehr bei unseren Schiffen dich treffe!
    Weder jetzt noch hier zaudernd, noch wiederkehrend in Zukunft!
    Kaum wohl dürfte der Stab und der Lorbeer Apolls dir dann helfen!
    Jene geb’ ich dir nicht, bis einst das Alter ihr nahet,
    wenn sie in meinem Palast in Mykene, fern ihrer Heimat,
    mir als Weberin dient und meines Bettes Genossin!
    Gehe denn, reize mich nicht, daß wohlbehalten du heimkehrst!

    Wenn Sie bei dem Wort »weben« nicht die warmen Unterhemdchen sehen; wenn Sie sich nicht entschließen, minutiös mit ausschweifender Phantasie zu lesen, werden Sie Homer nicht gerecht.
    Priester Chryses zieht sich erschrocken zurück. Außer Reichweite fleht er Apoll an, seine Tränen zu vergelten. Und der sonst so lichte, strahlende Gott hängt sich Bogen und Köcher um und steigt herab, »düster wie Nachtgraun«, sagt Homer. Er setzt sich auf eines der entfernteren Schiffe und schießt Pestpfeile unter die Griechen, unter Mensch und Tier. Die hohen Tiere natürlich schont er noch, denn sonst wäre die Ilias zu Ende. Man bedrängt Agamemnon, der unter den vielen anwesenden Fürsten, »Königen« und Königssöhnen nur der Primus inter pares, nur der Führer, nicht der Gebieter ist, Chryses die Tochter zurückzugeben. Das kommt Agamemnon hart an. Er gesteht, daß sie ihm lieber ist als Klytämnestra (Klytämnestra ist seine Frau im fernen Mykene), und bittet, ihm aus der gemeinsamen Kasse eine Entschädigung zu geben.
    Hier begegnen wir zum erstenmal einem altgriechischen Charakterzug von märchenhaftem Ausmaß: der Beutegier. Es sind jene historischen Mykener, Tirynser und Amykläer, die Kreta ausgeraubt haben. Bei Homer, der selbst noch der frühgriechischen Epoche angehört, betritt niemand ein Zimmer, ohne sich sofort umzuschauen, was es Schönes gibt. Agamemnons Ansinnen aber ist selbst Achill zuviel. »Du Habgierigster aller«, schreit er ihn an, fährt dann aber ruhiger fort:

    Gut, wir ersetzen sie dreifach und vierfach, wenn uns einmal Zeus
    gönnen wird, der Troer befestigte Stadt zu verwüsten.

    Befriedigt von soviel Unvernunft, lesen wir weiter und sind vollständig verwirrt über den Ton, in dem Agamemnon antwortet. Er ist mißtrauisch, mißgünstig, höhnisch. Man sieht, wie er die Mundwinkel herabzieht und die Augen zusammenkneift, wenn er Achill mit »du tapferer, du gottgleicher« anredet und dann fortfährt, er möge ihn dodi nicht beschwatzen und betrügen. Hier setzt ein unbeschreiblicher Tumult ein. Ohne Zweifel standen die Trojaner dicht gedrängt auf den Mauern, um zuzuhören, und im Olymp verfolgte man besorgt die Entwicklung dieser Affäre, wie Homer später ausdrücklich betont. In dem Streit Agamemnon-Achill folgt eine Ungeheuerlichkeit der anderen mit wahrhaft wollüstiger Zügellosigkeit, wörtliche Sätze wie:

    Agamemnon: Weigert Ihr mir das Geschenk, so komme ich selber und nehm es.
    Achill: Ach, du mit Unverschämtheit Geputzter, Vor teilbesessener,
    immer die schwerste Last des tobenden Schlachtengetümmels
    trag ich mit meinem Arm; doch kommt zur Teilung es endlich,
    Dein ist das größte Geschenk, und ich ? Heim mit den Schiffen jetzt fahr ich. Agamemnon: Fliehe nur, wenn dein Herz dir’s gebeut! Nie werd ich dich anflehn!
    Achill: Du schamloser Mensch, du Ehrvergessener!
    Agamemnon: Mehr als verhaßt bist du mir. Und dein eigenes Ehrengeschenk,
    die rosige Tochter des Briséis, ich hol’ sie mir aus deinem Zelt.

    Das ist zuviel für Achill. Es zerwühlt ihm die Brust. Homer sagt »zottige Brust« in dem richtigen Gefühl, daß das die Vorstellung von dem vor zitternder Wut wankenden und
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