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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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schwankenden Bären erwecke. Achill packt den Schwertgriff, und Homer nennt diesen Moment sehr schön die Entscheidung, ob er Schwert und Scheide, die jetzt noch eins seien, trennen solle.
    Da greift eine Hand in seinen braunen Haarschopf; er fährt herum und sieht (nur er allein) Pallas Athene, die Göttin.
    Was geschieht? Versteinert er? Stürzt er nieder? Verbrennt er? Schlägt er die Hände vor die Augen?
    Er? Der Sohn des Peleus, selbst Enkel einer Nymphe und des Zeus? Warum sollte er? Die Götter können fürchterlich sein, gewiß, aber ist er ein Dreck? Er fragt die Göttin brummig, ob sie gekommen sei, sich seine Schande anzusehen? (Eigentlich ist Athene seine Tante, und er fragt sie auch ganz in dem Stil >Es geschieht meiner Mutter ganz recht, daß ich mir die Finger erfriere, warum gibt sie mir keine Handschuhen) Athene gebietet ihm in mildem Tone, nachzugeben, und tut nun ihrerseits das, was ihr Schützling gegenüber Agamemnon getan hat: Sie verspricht ihm für später dreifachen Lohn und Ruhm. Und Achill prolongiert den Wechsel, weil — wie er sagt — wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder. Lesen Sie diese Stelle nicht falsch, sie heißt nicht: Wer Gott erkennt, den wird Gott wiedererkennen; sie heißt: Hast du ein Geschenk für mich, hab ich ein Geschenk für dich.
    Achill gehorcht, aber das ändert nichts an seinen Gefühlen für Agamemnon. Gleich die ersten Worte, mit denen er ihn anredet, lauten wieder:

    Trunkenbold mit dem hündischen Blick und dem Mute des Hirsches!

    Er überläßt Agamemnon seine Sklavin Brise is, aber er schwört, nie mehr einen Schwertstreich in diesem Kriege zu tun, nie mehr für den Sieg eine Hand zu rühren.
    Alle Dichter der Erde würden ihn jetzt erhobenen Hauptes abgehen lassen. Bewundern Sie Homer, belächeln Sie ihn, aber genießen Sie ihn: Er läßt Achill sich dort, wo er stand, auf den Erdboden setzen!
    Stärker ist die Fermate nicht möglich! Aufreizenderes als ein Sitzstreik ist nicht denkbar. Agamemnon tobt, Homer nennt es »wüten«. Achill sitzt. Alles, was nun geschieht (und es geschieht Schreckliches), ereignet sich unter den Augen des untätig Dasitzenden.
    Die Tochter des Priesters Chryses wird freigelassen und mit ihrem Vater heimgeschickt. Man opfert Apoll ein Sühnemahl, der schwarze Bogenschütze verwandelt sich wieder in den lichten Gott und steigt zum Olymp zurück.
    Jetzt läßt Agamemnon die »rosige Briséis« aus dem Zelt des Achill holen. Die beiden Boten treten vor den am Boden sitzenden Helden und wagen vor Ehrfurcht nicht zu gestehen, was sie herführt.
    Nahet euch! spricht Achill sie gütig an, ihr nicht seid mit Schuld beladen, nur Agamemnon,
    der euch beide gesandt um Briséis , die rosige Sklavin.
    Auf denn, führe heraus das Mägdelein, edler Patroklos. (Patroklos, sein Jugendfreund und Kampfgefährte, jung, schön, zart, schwärmerisch, gezeichnet wie ein Geliebter; jedoch steht im Homer nirgends eine Andeutung davon.) Dann fährt Achill fort, zur toten Mutter sprechend, indem er zu ihr, die einst eine Nereide war, in die dunkle Tiefe des Meeres hinabschaut:

    Mutter! Siehe, des Atreus Sohn hat mich entehrt!
    Also sprach er betränt.
    (Achill weint!)
    Ihn vernahm die gütige Mutter,
    sitzend dort in den Gründen des Meeres, in der lichtlosen Tiefe.
    Eilenden Schwunges entstieg sie der finsteren Flut wie ein Nebel;
    und nun setzte sie nahe sich hin vor den Tränenbenetzten,
    streichelte ihn mit der Hand und sagte...

    Der Held ist wieder zum Kind geworden, das von der Mutter getröstet wird. Dazu gehört, wie bei allen Müttern auf der ganzen Welt, daß sie ihn fragt, warum er denn weine. Sie ist zwar als geborene Nereide eine Halbgöttin und weiß als solche, was geschehen ist, aber sie fragt, wie es sich für eine Mutter gehört. Und Achill (Ach, Mutter, du weißt das alles; was soll ich es dir noch erzählen) fängt noch einmal von vorn an und schluchzt ihr seinen Schmerz in 50 Versen vor. In der Odyssee werden Sie später noch oft weinende Männer erleben, aber achten Sie dann auf den Unterschied; in der Odyssee weinen sie aus einem anderen Grund als hier. Achills Mutter ist entschlossen, den Achäern (Griechen) einen Denkzettel erteilen zu lassen; sie läuft zu Zeus und erbettelt von ihm, daß er den Trojanern so lange den Sieg schenkt, bis Agamemnon ihrem Sohn Abbitte geleistet hat.
    Jetzt bekommen wir einen prächtigen Einblick in das olympische Leben. Genau wie auf Erden geht ein großes Hin und Her los, ein
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