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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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wirklich sehr mühsam, ihr nachzureisen.
    Ich versuche, mich in ihre Lage zu versetzen. Was würde ich tun, wenn man nach mir fahnden würde? Ich würde auf jeden Fall alle Orte meiden, an denen Uniformierte herumlaufen könnten. Nicht nur an Flughäfen, sondern zum Beispiel auch an Bahnhöfen.
    Also ist sie vermutlich per Anhalter mit jemandem gefahren.
    Ich biege rechts ab und spaziere in einen Park. Auf dem Gras liegen kleine Gruppen von Mädchen. Sie reden und lachen. Mein Blick huscht über ihre Gesichter. Valerie ist nicht dabei.
    Nein, natürlich nicht, du Trottel, was dachtest du denn?, sage ich zu mir selbst. In diesem Land wohnen Millionen von Mädchen. Valerie suchen, ist, eine Nadel im Heuhaufen finden wollen. Das gelingt dir nie. Wahrscheinlich gelingt es nicht einmal Perez.
    Der Gedanke ist unerträglich. Ich will, dass sie festgenommen wird. Sie sollen sie verhaften und in eine Zelle voller Kakerlaken stecken. Ich will, dass sie auf einem Brett schlafen muss. Und ich will, dass sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn alle denken, dass man lügt, und man vor Angst fast erstickt.
    Ich verlasse den Park und überquere die Straße. Der Bürgersteig ist gerade breit genug für eine Person, aber schattig. Ich gehe Richtung Zentrum. Vielleicht kann ich dort einen Kopfschutz kaufen.
    Ein Auto braust vorbei. Am Steuer sitzt eine Frau, die telefoniert.
    Valerie hat auch ein Telefon! Und das sendet ein Signal aus. Perez kann sie über ihr Handy aufspüren.
    Oder ich kann selbst versuchen herauszufinden, wo sie sich aufhält.
    Meine Atmung beschleunigt sich, obwohl der Weg bergab führt. Sobald ich unten am Kreisverkehr bin, setze ich mich auf das erstbeste Mäuerchen und nehme mein Handy. Ich scrolle im Telefonbuch bis zu VALERIE REINA. Verbinden.
    »Sí?«
    Ihre Stimme klingt anders.
    »Valerie?«, frage ich.
    »No, mi nombre es Luisa.«
    Ich frage, ob sie Englisch spricht.
    »Ein bisschen«, sagt sie.
    »Wie kommst du an dieses Telefon?«
    »Gefunden. Es lag neben dem Abfalleimer am Bahnhof und es funktionierte noch.«
    »An welchem Bahnhof?«
    »In Almadusar. Warum willst du das alles wissen?«
    »Ist nicht wichtig.« Ich unterbreche die Verbindung und fluche leise.
    Valerie ist mir wieder einen Schritt voraus. Wahrscheinlich führt sie sogar Perez an der Nase herum. Es würde mich zumindest nicht wundern, wenn sie ihr Handy absichtlich zurückgelassen hätte, um ihn zum Bahnhof zu locken. Sie selbst ist da natürlich längst nicht mehr.
    Mir hat noch nie im Leben etwas so sehr gestunken, aber ich kann mich natürlich nicht ständig weiter selbst zum Narren halten. Die Chance, Valerie aufzuspüren, geht gegen null. Mir bleibt wenig anderes übrig, als dann eben doch zu diesem Hotel in Barcelona zu fahren. Also muss ich einen Bus oder Bahnhof suchen.
    Ich folge dem Schild mit der Aufschrift CENTRO CIUDAD, da centro ja vermutlich Zentrum heißt, und halte meinen Sprachführer schon mal bereit. Die Wohnhäuser machen Läden Platz: Bekleidungsgeschäfte, ein Telefonladen und ein Optiker. Am Schaufenster eines Spielzeugladens presst sich ein Junge die Nase platt. »Caballo!«, ruft er seiner Mutter fröhlich zu.
    In meinem Kopf knallt ein Startschuss. Oder besser gesagt: ein Stoppschuss, denn ich bleibe abrupt stehen.
    »Si, caballo«, bestätigt seine Mutter.
    Ich folge ihren Blicken. In der Auslage steht ein Plüschpferd.
    Caballo. Das Pferdchen, das an Valeries Rucksack hing! Was stand noch gleich auf dem Sattel? Isla Caballo. Der Ort, den Valerie so schön findet. Wo sie mit ihrem Vater am Strand reiten ging. Der einzige Ort, an dem sie jemals richtig glücklich gewesen ist.
    Die Chance ist viel zu klein.
    Aber es könnte sein…
    Einen Augenblick überlege ich, ob ich Perez einweihen soll, aber mein Vertrauen in die Polizei hat in den letzten Tagen sehr gelitten. Außerdem ist es bislang nur eine Idee. Es ist sogar höchstwahrscheinlich, dass ich mich komplett irre. Nein, ich sollte lieber selbst gehen. Wenn ich Valerie aufgespürt habe, ist Perez noch schnell genug informiert.
    Ich suche einen Platz, an dem ich meine Karte aufklappen kann. Isla Caballo – ein kleiner Punkt auf einer Halbinsel an der Südostküste. Vielleicht ist Valerie ja doch mit dem Zug gefahren, denn Almadusar liegt exakt zwischen Francaz und Isla Caballo.
    Mithilfe meines Sprachführers und ein paar freundlichen Spaniern gelingt es mir, den Bahnhof zu erreichen. Ich schaue auf den Monitor mit den Abfahrtszeiten. Der letzte Zug geht in
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