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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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habe ich eigentlich schwarze Ringellocken, die meine Mutter für niedlich hält. Sie glaubt übrigens immer noch, der Rest der Welt schließe sich dieser Meinung an, aber meine Kleinkindphase ist Jahrhunderte her.
    Mit niedlichem Haar beeindruckt man keine Mädchen. Deswegen lasse ich es immer so kurz schneiden, dass es sich fast nicht mehr lockt. Der einzige ganz passable Teil meines Körpers ist mein Adamsapfel. Der sorgt jedenfalls dafür, dass mich die Leute nicht für ein Mädchen halten. Deshalb habe ich allen Rollkragenpullovern abgeschworen, selbst bei zehn Grad unter null.
    Das braucht man hier ja nicht zu befürchten. Manchmal kann man dem Quecksilber im Thermometer buchstäblich beim Klettern zusehen. Gestern waren es fünfunddreißig Grad. Im Schatten! Als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich schon, dass es wieder ein heißer Tag werden würde. Dann gehen Val und ich meistens schwimmen, also zog ich gleich meine Badehose an und darüber die Jeans mit den abgeschnittenen Hosenbeinen, außerdem mein dunkelblaues Lieblings-T-Shirt von Salty Dog und meine Badelatschen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich ein paar Stunden später vor den Augen einer dicken Polizistin alles wieder ausziehen müsste. Nach meinem Strip hat sie meine Kleidung – und meinen Geldbeutel aus der Gesäßtasche meiner Hose – in eine Plastiktüte gesteckt und mitgenommen. Wahrscheinlich zur Untersuchung oder so. Nur die Badehose durfte ich anbehalten.
    Es ist nicht angenehm, nur mit einer Badehose bekleidet in einer Zelle zu sitzen. Vor allem nicht, wenn allerlei scheußliches Ungeziefer über den Zellenboden kriecht. Kakerlaken kann ich fast ebenso wenig leiden wie Mücken. Sie schießen immer in alle Richtungen, nur nicht in die richtige – wie diese große, dicke braune, die scheinbar gerade meinen nackten rechten Fuß anpeilt. Mit ihrem harten Panzer sind sie fast nicht kaputtzukriegen. Will man mit dem Schuh eine Kakerlake plätten, muss man stundenlang hin- und herdrehen, bevor sie wie eine Walnuss knackt. Mit bloßen Füßen hat man von vornherein keine Chance. Ich ziehe die Beine hoch – hoffentlich sind das hier Kakerlaken mit Höhenangst –, setze mich in den Schneidersitz und lege meine Hände auf die Knie. Meine Fingerspitzen und Nagelränder sind schwarz. Bevor sie mich eingesperrt haben, hat die dicke Polizistin meine Fingerabdrücke abgenommen. Ich spucke auf die Tinte und versuche, sie am Bezug meines sogenannten Bettes abzureiben. Weil ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, halte ich das eine ganze Weile durch: reiben, spucken, reiben.
    Vergeblich. Wahrscheinlich hält diese Sorte Tinte lebenslänglich.
    Ich wünschte, Val würde sich ein wenig beeilen. Sie wird doch nicht in aller Ruhe auf den Bus warten, wenn sie hört, dass ich in einem Gefängnis sitze? Wenn die Rollen umgedreht wären, würde ich notfalls einen Motorroller klauen, um so schnell wie möglich bei ihr zu sein. Vorzugsweise mit einem englisch sprechenden Spanier am Lenker, damit ich ihm – sorry, sorry! – erklären kann, warum wir jetzt wirklich zur Polizeiwache rasen müssen und so.
    Trampen ginge natürlich noch schneller. Vor allem, wenn man so aussieht wie Val. Wenn sie mit erhobenem Daumen am Straßenrand steht – in Shorts mit ihren langen braunen Beinen in Cowboystiefeln –, muss man schon stockblind oder völlig verrückt sein, wenn man an ihr vorbeifährt.
    Fuck, jetzt muss ich auf einmal an Highway Killings denken – einer der geschmacklosesten Filme, die ich je gesehen habe. Es geht um einen Lastwagenfahrer, der unschuldige Mädchen von der Autobahn mitnimmt, um alles andere als unschuldige Sachen mit ihnen zu machen. Mädchen wie Val also.
    Ich schwöre es, ich habe niemanden umgebracht. Folglich ist der wahre Täter noch immer auf freiem Fuß. Es ist nicht unmöglich, dass Val ihm zufällig begegnet und zu ihm ins Auto steigt…
    Wie mich das alles gerade nervt! Eingesperrt sein, ist der Laune nicht gerade zuträglich.
    Positiv denken! Stefano lässt Val bestimmt nicht irgendeinem Monster in die Hände fallen. Ich muss einfach ein bisschen mehr Geduld haben, dann stehen sie gleich mit einem Grinsen von hier bis Tokio vor der Tür. Und vielleicht ist auch noch gar nicht so viel Zeit verstrichen, wie ich denke. Meine Armbanduhr ist im Rucksack und von hier aus kann ich nirgends eine Uhr hängen sehen, ich muss also weiterraten, wie lange ich hier schon eingesperrt bin. Eine Gefängniszelle hat nicht unbedingt den
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