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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile
Autoren: Lutz van Dijk
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lassen und mit der rechten so aufzufangen, dass sie genau den Mund wieder aufreißt, wenn die wirkliche Sängerin weiter ihren Song schmettert.
    »Ich werde bestimmt bald entdeckt!«, ruft sie mir zu, als sie eine neue CD von Lebo einschiebt. Ich habe meine Zweifel, denn ihre eigene Stimme klingt einfach schrill und gar nicht gut. Es ist doch bestimmt schwer, berühmt zu werden als Sängerin, wenn man nicht selbst singen kann. Aber das sage ich ihr nicht. Denn sie hat noch andere Eigenschaften, derentwegen ich sie im Kern wirklich mag.
    Eine ist, dass Unathi alles, was sie selbst hat, großzügig teil t – die andere, dass sie Geheimnisse für sich behalten kann. Beides finde ich wichtig für eine Freundschaft.
    Seit wir in die erste Klasse gingen, teilten wir unsere schönsten T-Shirts, dann auch erste Blusen und Röcke und so was. Und als Vaters Laden eine Weile wegen Krankheit geschlossen war, weil er zu lange gewartet hatte, zur Klinik zu gehen, um sich wegen HIV testen zu lassen, und danach die ART -Medikamente lange nicht vertragen konnte, da hat sie immer ihr Schulbrot mit mir geteil t – und mein Bruder und ich konnten ab und zu bei ihr daheim abends mitessen. Beinah vier Monate lang. Bis Vater wusste, welche ARTs er nehmen muss, und aus dem Krankenhaus zurückkam.
    Da mein Vater anfangs dagegen war, dass ich bei den Vuka Intombis mitmache, erlaubte Unathi mir, ein paar Wochen lang zu behaupten, dass ich bei ihr Schularbeiten machen würde, während ich in Wirklichkeit auf unserem Fußballplatz war. Erst als wir das erste Turnier hatten, habe ich meinem Vater alles gebeichtet. Auch um ihn einzuladen, selbst zu schauen, wie gut ich inzwischen war. Und er ist wirklich gekommen! Er und mein Bruder Lonwabo saßen ganz vorn, nicht weit weg von Pastor Khanya. Und am Ende waren sie sogar ein bisschen stolz auf mich. Obwohl ich an dem Tag kein einziges Tor geschossen hatte.
    Das Stück von Lebo spielt sie nun schon zum dritten Mal. Ich werde langsam ungeduldig, denn wir müssen noch für einen Test in Mathe üben. In Mathe sind wir beide abgrundtief schlecht. »Wie lange dauert es denn noch?«, rufe ich ihr zu.
    Aber sie reagiert gar nicht. »Hast du das schon gesehen?«, ruft sie zurück, als ein Trompetensolo aus Lebos Band ihr gerade eine Atempause verschafft. Sie springt auf einen Stuhl, wiederholt jenen berühmten Mikrosalto von links nach rechts und winkt mir aufgeregt zu, doch näher heranzukommen.
    Mein erster Fehler, zugegeben. Das Trompetensolo klingt aus, und ich hätte wissen müssen, dass Lebo-Unathi etwas Neues vorhat. Sie reißt den Mund auf, als Lebo mit der letzten Strophe loslegt, und schließt dabei die Augen. Noch immer balanciert sie auf dem Stuhl und legt nun bei den hohen Noten ihren Kopf so weit zurück, dass mir angst und bange wird, sie könnte gleich nach hinten umkippen. Aber es kommt noch wilder. Zum ersten Mal probiert sie den wirbelnden Mikrowurf von links nach rechts mit geschlossenen Augen!
    Mein zweiter Fehler: Ich gehe nicht augenblicklich in Deckung. Unathis rechte Hand verfehlt das Mikro, das mir dafür ungebremst gegen den Kopf knallt. Genauer gesagt: so auf meinem rechten Auge landet, dass ich erst nichts und dann nur noch Sterne sehe. Seitdem ist das Auge geschwollen wie bei einem Preisboxer in der letzten Runde.
    Unathi lachte erst, weil sie dachte, ich würde ihr etwas vormachen. Erst als sie die Musik abgestellt hatte und mein anschwellendes Auge sah, erschrak auch sie. Den Mathetest am nächsten Tag haben wir beide verhauen.

Das Sportfest – Ipati ka Umdhalo

    Die Nacht zuvor habe ich kaum geschlafen. Nicht wegen des Auges. Das sieht zwar noch immer hässlich aus, tut aber nicht mehr weh. Sondern wegen der Mädchenmannschaft aus Gugs .
    Schon am frühen Morgen haben wir uns alle bei Pastor Khanya versammelt. Es ist mit dem gegnerischen Team verabredet, dass wir alle ohne Fußballschuhe spielen, denn auch sie konnten nicht mehr für jede Spielerin Toks organisieren. Kein Spiel läuft gut, wenn einige Schuhe haben und andere barfuß spielen müssen. »Gerechtigkeit für alle!«, hat unser Pastor-Trainer gefordert, und Ma Dudula, die in der ganzen Stadt bekannte Trainerin aus Gugs , hat zugestimmt.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, meint Pastor Khanya, als wir uns im Mädchenklo der Grundschule umziehen. Eine amerikanische Kirchengemeinde, mit der unser Pastor in E-Mail-Kontakt steht, hat uns die Trikots gespende t – grüne Hosen und weiß-grün gestreifte Hemden, alles
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