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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile
Autoren: Lutz van Dijk
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Papier mit seiner Liebeserklärung sorgfältig zweimal zusammen und stecke es in die rechte hintere Tasche meiner Jeans. Es ist das Einzige, was ich von ihm habe und anfassen kann.
    Alles andere ist tief in mir.

Der Unfall – Ingozi

    Nach meiner Erinnerung habe ich niemals so hässlich ausgesehen wie an jenem Tag, auf den wir alle so hingefiebert hatte n – dem großen Township-Sportfest. Es findet nur einmal im Jahr bei uns in Masi, unserem Township, statt, am Ostermontag, der in Südafrika auch »Familientag« heißt. In diesem Jahr war er ungewöhnlich früh, schon im März.
    Wochenlang hatten alle Mädels von unserem Vuka-Intombi -Fußballclub nichts anderes im Kopf. Den Namen hatten wir uns selbst ausgedacht: Vuka heißt so viel wie »Los, aufwachen!«, und mit Intombi wird bei uns eine Tochter im Teenie-Alter bezeichnet. Jeder verstand die Botschaft: Macht euch auf, Teenie-Girls! Wir sind ebenso gut im Fußball wie die Jung s – wenn nicht besser!
    Monatelang dreimal Training pro Woche, abends auf dem staubigen Kickerplatz hinter der Grundschule. Tausend Versuche, dort richtig grünes Gras anzulegen, wie es sich eigentlich gehört, sind gescheitert. Einfach nicht genug Wasser, vom Dünger ganz zu schweigen.
    Rasen hält bei uns immer höchstens bis zum Anfang des Frühlings. Wenn dann erst mal ein paar Wochen die Sonne draufknallt, wird bald alles gelb und braun. Kurz danach fliegen die letzten Grasbüschel weg wie eine billige Perücke, und der Acker ist wieder kahl wie eine Glatze. Nur nicht so glatt, sondern mit viel Staub und überall Steinen. Wenn es stürmt, dann kann man nur sagen: Die Wüste lebt! Wir müssen öfter das Training wegen Sandstürmen abbrechen als wegen Regen. Aber vielleicht sind wir gerade deswegen so abgehärtet. Einfach durch nichts umzublasen.
    An diesem Ostermontag jedoch fühlte ich mich überhaupt nicht gut. Ich hatte die Woche zuvor nicht zum Training gehen können wegen meines blauen Auges. Völlig geschwollen, einfach dicht und drum herum alles rot, grün und blau. Dass ich zuletzt doch noch für den Stur m – rechts auße n – aufgestellt worden war, verdanke ich unserem jungen Pastor Khanya, der uns seit mehr als einem Jahr trainiert.
    Pastor Khanya ist höchstens Ende zwanzig und sieht nur am Sonntag wie ein Pastor aus. Sonst eher wie Superstürmer Benni McCarthy aus unserer Nationalmannschaft Bafana Bafana , finde ich. Wobei Benni dauernd mit neuen Freundinnen angibt, während Pastor Khanya glücklich verheiratet ist und drei kleine Kinder hat. Alle Mädchen sind trotzdem hin und weg von ihm, und auch die meisten Jungs finden ihn gut.
    Am Ostersonntag nach dem Gottesdienst rief Pastor Khanya uns alle zusammen und erklärte: »Jabu, du musst ja nicht mit dem Auge schießen! Und dein linkes Auge funktioniert prima. Niemand trifft so wie du aufs Tor, selbst aus großer Entfernung. Die Mädels aus Gugs sind stark, wir müssen unser Bestes geben!«
    Die Mädels aus Gug s … da widersprach niemand. Gugs steht für Gugulethu , ein Township in der Nähe des Flughafens, zehnmal so groß wie unser Masi. Die haben einfach viel mehr gute Spielerinnen als wir und trainieren schon viel länger.
    Alle nickten. Pastor Khanya klopfte mir auf die Schulter: »Ist ja kein Schönheitswettbewer b …«
    Nach dem Mittagessen mit Vater, Lonwabo und Makhulu schaute ich lange in den Spiegel, der auf unserem Außenklo im Hof hing. Ich spülte das Auge vorsichtig mit Wasser aus. Ein ganz klein wenig ließ es sich öffnen. Wenn ich vor ein paar Tagen bloß nicht so dicht neben Unathi gestanden hätte!
    Alles kam nämlich nur wegen meiner besten Freundin Unathi, die zwar immer noch meine beste Freundin ist, aber um ehrlich zu sein: beinah nicht mehr.
    Unathi findet Fußball erstens langweilig und zweitens nichts für Mädchen. Sie ist begeisterte Sängerin und kann, das muss ich zugeben, so ziemlich alle unsere großen Stars von Brenda Fassie bis Lebo Makhosa supergut nachmachen. Nachmachen heiß t – sie singt nicht wirklich, sondern bewegt nur die Lippen und den Körper und lässt die Musik aus dem geborgten Lautsprecher von Pastor Khanya krachen. »Karaoke heißt das!«, sagt sie stolz und wirft den Kopf so zurück, dass ihre langen, mit Perlen verzierten Flechtsträhnen nur so fliegen.
    Es fällt wirklich schwer, nicht hinzuschauen, wenn sie richtig loslegt. Sie kann ihre Füße über Kopfhöhe hochwerfen und der neueste Trick ist, das Mikro mit der linken Hand gut zwei Meter hochwirbeln zu
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