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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition)
Autoren: M. Agejew
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waren.
    Bei der nächsten Kreuzung holte der Fahrer uns ein, glitt an uns vorbei, bremste das ziehende Pferd ab, indem er die Zügel wie ein Steuerrad von rechts nach links zog und sich auf den Schlitten zurücklehnte, und hakte die Zudecke ab. Ich setzte Sinotschka hinein und ging langsam, obwohl mir nach Rennen zumute war, auf die andere Seite, kletterte auf den hohen und schmalen Sitz, und nachdem ich die straffe samtene Schlaufe wieder an den Metallstift gehakt, meinen Arm um Sinotschka gelegt sowie kräftig am Mützenschirm gezogen hatte, als wollte ich mich prügeln, sagte ich stolz : « Fahr zu!»
    Es ertönte ein gelangweiltes Kussgeräusch, das Pferd zog kurz an, der Schlitten setzte sich langsam in Bewegung, und ich fühlte schon, wie in mir alles erbebte ob des dreisten Kutschers. Als wir aber nach zwei Ecken die Tverskaja-Jamskaja 4 erreicht hatten, nahm der Fahrer mit einem Mal die Zügel auf und rief « Heeepp», wobei das scharfe und stählerne « e» gellend aufstieg, bis es an der weichen Grenze zum « p» anstieß und nicht mehr weiterkam. Der Schlitten ruckte kräftig an, wir flogen mit angezogenen Knien nach hinten und sogleich wieder vor, mit dem Gesicht in die gepolsterte Rückseite. Da eilte uns schon die ganze Straße entgegen, nasse Taue von Schnee peitschten schmerzhaft über Wangen und Augen, nur kurz vernahmen wir die uns entgegenkommenden Straßenbahnen, und wieder « Hepp, hepp!», diesmal scharf und abrupt, wie eine Peitsche, und dann mit freudig boshaftem Geblöke – « Hüa!», und schwarze Blitze von entgegenkommenden Schlitten, wir in quälender Erwartung der Deichsel in unseren Visagen, und tschock tschock tschock klang der von den Hufen an das metallene Vorderteil geworfene Schnee, und es bebte der Schlitten, es bebten unsere Herzen . « Ach, wie schön», flüsterte im nassen, peitschenden Schnee neben mir ein kindliches, begeistertes Stimmchen , « ach, wie wundervoll, wie wundervoll.» Ich fand es auch wundervoll. Aber wie immer wehrte ich mich mit ganzer Kraft gegen die in mir aufkeimende Begeisterung.
    Als wir am Jar 5 vorbeigeschossen waren und das Dach der Straßenbahnhaltestelle sowie das mit Brettern vernagelte Konditorhäuschen sichtbar wurden, lehnte sich der Kutscher auf der Allee zum Rondell mit dem Rücken zu uns, brachte mühsam das Pferd zum Stehen, wobei er abgehackt mit sanfter Frauenstimme flötete: « Brr, brr, brr … ». Im Schritt fuhren wir die Allee entlang, es hörte augenblicklich auf zu schneien, nur um eine einsame gelbe Laterne flog sacht, ohne zu fallen, etwas Schnee herum, als würde dort ein Federbett ausgeschüttelt. Hinter der Laterne in der schwarzen Luft stand ein Schild auf Pfosten, daneben hing, schief ans Holz genagelt, eine Faust mit ausgestrecktem Zeigefinger, mit Manschette und einem Stück Ärmel. Auf dem Finger spazierte eine Krähe und vertreute Schnee.
    Ich fragte Sinotschka, ob ihr nicht kalt sei . « Ich fühle mich wundervoll», sagte sie , « wirklich, es ist wundervoll, nicht? Da, nehmen Sie, wärmen Sie mir die Hände.» Ich löste meinen in der Schulter elend schmerzenden Arm von ihrer Taille. Von meinem Mützenschirm tropfte es auf die Wange und in den Kragen, unsere Gesichter waren nass, Kinn und Wangen hatte es so eisig zusammengezogen, dass das Gesicht beim Sprechen starr blieb, Brauen und Wimpern waren zu Eiszapfen verklebt, eine knirschende Kruste bedeckte Schultern, Ärmel, Oberkörper und Decke, Dampf stieg von dem Pferd und von uns auf, als kochte es in uns, und Sinotschkas Wangen sahen schon aus, als hätte man sie mit roter Apfelschale beklebt. Auf dem öden runden Platz war alles weiß und tiefblau. In diesem Weiß und Tiefblau, in ihrem Naphthalinfunkeln, in dieser unbeweglichen Ruhe, gleich der eines Zimmers, erkannte ich meinen Überdruss. Mir fiel ein, dass wir in wenigen Minuten in der Stadt sein, aus dem Schlitten aussteigen würden, ich nach Hause gehen, mich mit einer gemeinen Krankheit herumschlagen und am nächsten Morgen bei Dunkelheit aufstehen müsste; und ich fand alles gar nicht mehr « wundervoll».
    Das war merkwürdig in meinem Leben: Fühlte ich Glück, so genügte es, daran zu denken, dass es nicht von Dauer war – da endete es auch schon. Das Glücksgefühl endete nicht, weil die äußeren Umstände, die dieses Glück begünstigten, verschwanden, sondern allein kraft der Erkenntnis, dass diese äußeren Umstände überaus bald und unbedingt verschwinden würden. Kaum war mir diese Erkenntnis
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