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Mareks Todfeind

Mareks Todfeind

Titel: Mareks Todfeind
Autoren: Jason Dark
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Marek wurde wieder gemustert. Er war ein Mann mit grauen Haaren, die immer eine Spur zu lang wuchsen. Das Leben hatte sein Gesicht gezeichnet und tiefe Falten hineingegraben. Er stand leicht gebeugt da und schien unter dem Gewicht seiner Jacke zu leiden. Dichte Brauen wuchsen über Augen, die allerdings hell blickten und sehr wach wirkten.
    »Eigentlich ist die Halle schon dicht. Es wird bald dunkel. Da sollte man sich entsprechend verhalten.«
    »Dagegen habe ich nichts. Nur war der Tote ein Bekannter von mir. Ich kenne ihn aus der Schule. Wir haben uns lange nicht gesehen, und jetzt möchte ich ihm die letzte Ehre erweisen.«
    »Nun ja, bei dir mache ich eine Ausnahme. Ansonsten bin ich hier für die Sicherung zuständig.«
    »Danke.« Marek lächelte unterwürfig und duckte sich noch tiefer. »Ich bin dir wirklich sehr dankbar.«
    »Die Tür ist noch offen. Du kannst gehen.«
    Marek zögerte einen Moment. »Was ist denn mit dem Sarg?«, fragte er. »Ist er geschlossen? Muss ich ihn...«
    »Nein, nein, er ist offen. Ich hätte ihn schon geschlossen. Aber ich gehe noch mal meine Runde.«
    »Danke auch.«
    Der Wächter grinste. »Vargas war wirklich ein besonderer Mann. Schade, dass er tot ist.«
    Marek nickte treuherzig. »Ja, das finde ich auch. Ich war richtig fertig, als ich die Nachricht hörte. Man lebt eben nicht ewig.«
    Der Wächter runzelte die Stirn. »Hin und wieder soll es Ausnahmen davon geben.«
    »Wer sagt das?«
    »Das Leben.« Der Mann drehte sich um und schritt davon.
    Marek schaute ihm nach, wie er über den schmalen Pfad schritt und dort verschwand, wo die Bäume recht dicht beisammen standen. Da gab es auch den kleinen Waldfriedhof, an dessen Rand das alte Gebäude der Leichenhalle stand.
    Es war wirklich alt, und die Zeit hatte an seinem Gemäuer ihre Spuren hinterlassen. Möglicherweise war es mal aus helleren Backsteinen errichtet worden, die jedoch längst ihre Farbe verloren hatten. Jetzt sah der Bau aus, als wäre Feuer an den Außenmauern hochgekrochen, wobei der Rauch die Steine geschwärzt hatte.
    Fenster sah Marek nicht, nur schmale Öffnungen dicht unter dem schrägen Dach, auf dem nicht mehr alle Ziegel vorhanden waren. Einige fehlten, und so war auch die fleckige Pappe zu sehen.
    Vargas war tot!
    Marek konnte es kaum glauben. Er kannte ihn von früher her, als die Zeiten noch anders gewesen waren. Sie waren zwar nicht zusammen aufgewachsen, aber es stimmte schon, dass sie gemeinsam die Schule besucht hatten. Eine Dorfschule. Da waren in eine Klasse die Kinder unterschiedlichsten Alters gesteckt worden.
    Vargas war schon immer anders gewesen. Als Kind nie freundlich. Aggressiv. Voller Hass und Frustrationen. Anderen Qualen zuzufügen hatte ihm damals schon Spaß gemacht. Für seine perversen Spiele hatte er sich Tiere ausgesucht.
    Frantisek Marek war dagegen eingeschritten. Es hatte viel Ärger mit Vargas gegeben. Zwischen den beiden war es zu einer regelrechten Feindschaft gekommen.
    Später hatten sie sich aus den Augen verloren. Marek hatte sich auch nie nach ihm erkundigt. Ab und zu hatte er mal etwas von ihm gehört. Es hatte geheißen, dass Vargas für die Regierung arbeitete und bestimmte Aufträge ausführte, die andere Menschen nicht gern übernehmen wollten.
    Marek war davon ausgegangen, dass es sich um Morde gehandelt hatte. Offen darüber zu sprechen wagte niemand. Vorstellen konnte Marek es sich schon.
    Jetzt war Vargas tot!
    Es hatte sich auch in Mareks Heimatort Petrila herumgesprochen. Die Leute hatten es flüsternd erzählt und auch darüber diskutiert, warum er ausgerechnet in Dunai begraben werden wollte. Die Hauptstadt wäre seiner würdig gewesen.
    Vargas war tot!
    Oder?
    Dieses eine Wort, als Frage gestellt, war Marek oft genug durch den Kopf gegangen. Er kannte die Antwort nicht, aber er spürte schon ein ungewöhnliches Gefühl in sich aufsteigen. Vargas hatte er nie getraut, und es war schon komisch, dass er ihm auch als Toten misstraute. Dieser Mensch war nicht nur ein Tierquäler gewesen, sondern auch ein mit allen Wassern gewaschener Trickser.
    Jahrelang waren die beiden Männer nicht mehr zusammengetroffen. Nun war Marek das Bedürfnis überkommen, ihn einfach sehen zu müssen. Er musste vor seiner Leiche gestanden haben, nur dann konnte er endgültig sicher sein, dass er sich nicht getäuscht hatte.
    Es hatte ihn einfach hier in den Ort getrieben, als ihm die Todesnachricht zu Ohren gekommen war. Er hatte einfach fahren müssen, das war wie ein Zwang
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