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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition)
Autoren: M. Agejew
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gekommen, war der Glücksmoment vorbei – aber die äußeren Umstände des Glücks waren noch nicht verschwunden, sie existierten weiterhin, nur ärgerten sie mich jetzt. Als wir vom Rondell zurück auf die Chaussee fuhren, wünschte ich mir nur noch eines: schnell in der Stadt zu sein, aus dem Schlitten zu steigen und zu bezahlen.
    Die Rückfahrt war kalt und langweilig. Als wir aber am Strastnoj 6 angekommen waren, drehte sich der Fahrer zu uns um und fragte, ob er weiterfahren solle und wohin; da blickte ich fragend zu Sinotschka und fühlte gleich, wie mein Herz auf die mir wohlbekannte Weise stillstand. Sinotschka schaute mir nicht in die Augen, sondern auf meine Lippen, mit diesem rasenden, wahnwitzigen Blick, dessen Sinn mir wohlbekannt war. Vor Glück zitternd, kniete ich mich hin, sagte ich dem Fahrer ins Ohr, er solle uns ins «Winogradow» bringen.
    Es wäre ganz unwahr zu sagen, dass mich während der wenigen Minuten, die wir brauchten, um in dieses Etablissement zu fahren, der Gedanke an meine Krankheit und die Tatsache, dass ich im Begriff war, Sinotschka anzustecken, nicht im Geringsten beunruhigt hätten. Ich dachte sogar unentwegt daran und drückte sie eng an mich, aber während ich sinnierte, fürchtete ich nicht die Verantwortung mir selbst gegenüber, sondern die Unannehmlichkeiten, die andere mir wegen einer solchen Missetat bereiten könnten. Und wie fast immer in solchen Fällen hält diese Angst einen nicht davon ab, die Missetat zu begehen, sondern veranlasst einen regelrecht dazu, sie so zu begehen, dass niemand den Schuldigen finden kann.
    Als der Schlitten vor dem roten Haus mit den abgedichteten Fenstern hielt, bat ich den Kutscher, auf den Hof zu fahren. Um das Tor zu passieren, musste er den Schlitten erst bis zum Zaun am Straßenrand zurücksetzen – als wir dann aber gleitend und fauchend in der Einfahrt zum Stehen kamen, schrammten wir über den Asphalt, der Schlitten stellte sich quer zum Trottoir, und in den wenigen Sekunden, bis das Pferd anzog und uns mit einem Satz in den Hof beförderte, waren zufällig Anwesende um den Schlitten herumgegangen und hatten uns neugierig beäugt. Zwei blieben sogar stehen, was Sinotschka sichtlich beeindruckte. Sie wurde sogleich ablehnend, wirkte fremd, beleidigt, unruhig.
    Während Sinotschka aus dem Schlitten stieg und sich in eine dunkle Ecke des Hofs entfernte, bezahlte ich den Kutscher, der hartnäckig einen Zuschlag verlangte, und erinnerte mich dabei mit Unbehagen daran, dass mir nur zwei Rubel fünfzig blieben und mir möglicherweise, sollten die billigen Zimmer schon belegt sein, fünfzig Kopeken fehlen würden. Ich bezahlte also den Kutscher und ging zu Sinotschka – da ahnte ich schon, allein wegen der Art, wie sie heftig an ihrer Tasche nestelte und empört die Schultern zuckte, dass sie sich so, jetzt, nicht vom Fleck rühren würde. Der Kutscher war schon fort, von dem scharf gewendeten Schlitten blieb nur ein glatt gebügelter Kreis. Die beiden Neugierigen, die bei unserer Ankunft stehen geblieben waren, hatten inzwischen den Hof betreten, standen abseits und beobachteten das Geschehen. Ich stellte mich mit dem Rücken zu ihnen, sodass Sinotschka sie nicht sehen konnte, legte meinen Arm um ihre Schultern und nannte sie «Krümelchen», und «Kleine», und «Mädchen», ich sagte ihr Worte, die wohl absolut keinen Sinn hätten, würde man sie nicht mit salbungsvoller Stimme aussprechen, deren Klang ganz von alleine süß wie Sirup wurde. Als ich fühlte, dass sie gleich nachgeben und wieder die alte Sinotschka sein würde – wenn auch nicht die, die mich beim Strastnoj mit schrecklichem Blick (so wollte es mir scheinen) angeschaut hatte, sondern die, die im Park « wundervoll, ach wie wundervoll» gesagt hatte – , begann ich zusammenhanglos und verworren zu erzählen, dass ich in der Tasche ganze hundert Rubel hätte, dass man sie hier nicht wechseln würde, dass ich fünfzig Kopeken bräuchte, dass ich sie ihr in wenigen Minuten zurückgeben würde, dass … Aber Sinotschka ließ mich nicht ausreden, öffnete in scheuer Eile schnell-schnell ihre alte Tasche aus Wachstuch mit Krokodilledermuster, zog ein winziges Portemonnaie heraus und schüttete mir den Inhalt in die Hand. Ich erkannte eine Handvoll kleiner, silberner Fünfkopekenstücke, die mit einer gewissen Seltenheit vorkamen, und schaute Sinotschka fragend an . « Es sind genau zehn», sagte sie beruhigend, dann sank sie mitleiderregend in sich zusammen und fügte
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