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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1
Autoren: Emil Zola
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liebe mich, wie Du mich liebst, und laß mich Dich lieben, laß mich Dich lieben!«
    Aber weinend, mit einem Gesicht voll unsagbarer Zärtlichkeit und unsagbarem Schmerz stieß ihn die Contessina, die ebenfalls von wilder Energie erfüllt war, mit beiden ausgebreiteten Armen zurück, indem sie wiederholte:
    »Nein, nein! Ich liebe Dich, ich will nicht, ich will nicht!«
    In diesem Augenblicke hatte Dario, während er ein verzweifeltes Murren ausstieß, das Gefühl, daß jemand ins Zimmer trete. Er richtete sich heftig auf und sah Pierre mit stumpf wahnwitziger Miene an, ohne ihn gänzlich zu erkennen. Dann fuhr er sich mit beiden Händen übers Gesicht, über die thränenüberströmten Wangen, die blutunterlaufenen Augen und floh, indem er einen Seufzer, ein furchtbares, schmerzliches Ach! ausstieß, in dem sein zurückgedrängtes Verlangen noch zwischen Thränen und Reue kämpfte.
    Benedetta war atemlos, völlig entmutigt und ermattet auf dem Kanapee sitzen geblieben. Aber als Pierre, der über seine Rolle sehr verlegen war, ebenfalls eine Bewegung machte, um sich ohne ein Wort zurückzuziehen, beschwor sie ihn mit bereits ruhigerer Stimme:
    »Nein, nein, Herr Abbé, gehen Sie nicht ... Ich bitte Sie, setzen Sie sich. Ich möchte einen Augenblick mit Ihnen reden.«
    Er hielt es dennoch für seine Pflicht, sein plötzliches Eintreten zu entschuldigen und zu erklären, daß die Thür des ersten Salons halb offen gestanden sei und daß er im Vorzimmer nur die auf dem Tisch liegende Arbeit Victorinens gesehen habe.
    »Das ist wahr!« rief die Contessina. »Victorine mußte da sein, ich sah sie eben. Ich rief sie, als mein armer Dario den Kopf zu verlieren begann ... Warum ist sie nicht hereingekommen?«
    Dann fügte sie in einer mitteilsamen Regung hinzu, wahrend sie den Körper vorwärts beugte und ihr Gesicht noch von der Aufregung des Kampfes brannte:
    »Hören Sie, Herr Abbé, ich werde Ihnen alles erzählen, denn ich will nicht, daß Sie allzu schlecht von meinem armen Dario denken. Das würde mich zu sehr kranken ... Sehen Sie, ich bin an dem, was geschehen ist, selbst ein wenig schuld. Gestern abend hat er mich um eine Zusammenkunft hier in diesem Zimmer gebeten, damit wir in Ruhe mit einander sprechen könnten. Da ich wußte, daß meine Tante um diese Zeit nicht zu Hause sein würde, sagte ich ihm, er möge kommen ... Nicht wahr, es war doch ganz natürlich, daß wir uns nach dem großen Kummer, den uns die Nachricht, daß meine Heirat wohl nie annullirt werden wird, gemacht hat, sehen und sprechen wollten? Wir leiden zu viel, es mußte ein Entschluß gefaßt werden ... Und nun, als er kam, fingen wir zu weinen an und lagen einander lange in den Armen, liebkosten uns und mischten unsere Thränen. Ich küßte ihn tausendmal und sagte ihm immer wieder, daß ich ihn anbete, daß ich verzweifelt wäre, weil ich ihn unglücklich machte, daß ich sicherlich vor Kummer sterben würde, weil ich sein Unglück sehe. Vielleicht konnte er das für Ermutigung halten, und übrigens ist er ja kein Engel. Ich hätte ihn nicht so und auch nicht so lange an meinem Herzen halten sollen ... Sie begreifen, Herr Abbé, zuletzt ward er wie toll und wollte das, was ich vor der Madonna geschworen habe, daß ich es keinem andern als meinem Gatten gewähren würde.«
    Sie sagte das ruhig, einfach, ohne jede Verlegenheit, mit ihrer vernünftigen und praktischen Miene.
    »O, ich kenne meinen armen Dario!« fuhr sie fort, während ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen erschien. »Das hindert mich nicht, ihn zu lieben; im Gegenteil. Er sieht zart, sogar etwas kränklich aus, aber im Grunde ist er ein leidenschaftlicher Mensch, der das Vergnügen braucht. Ja, das ist das alte, stürmische Blut. Ich weiß auch etwas davon zu sagen, denn als ich klein war, hatte ich Wutanfälle, daß ich mich auf die Erde warf, und noch heute muß ich, wenn es über mich kommt, gegen mich selbst kämpfen, mich martern, um nicht alle möglichen Dummheiten von der Welt zu begehen ... Mein armer Dario! Er versteht nicht zu leiden! Er ist wie ein Kind, dessen Launen befriedigt werden müssen; aber im Grunde ist er doch sehr vernünftig und wartet auf mich, weil er sich sagt, daß das wirkliche Glück bei mir ist. Denn ich bete ihn an.«
    Und nun ward Pierre die Gestalt des jungen Fürsten klar, die ihm bisher unbestimmt erschienen war. Trotzdem er aus Liebe zu seiner Base starb, hatte er sich doch stets gut unterhalten. Er war ein vollkommener Egoist, aber dabei
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