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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1
Autoren: Emil Zola
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Buschholzes werden großmaschige Netze längs einer Allee ausgespannt, die derart begrenzt und auf beiden Seiten geschlossen wird. Auf dem Boden in der Mitte stellt man die Käfige mit den Lockvögeln hin, deren Gesang bald die Vögel aus der Nachbarschaft, die Rotkehlchen, Grasmücken, Nachtigallen und Feigenfresser aller Art herbeilockt. Wenn dann eine zahlreiche Menge beisammen war, klatschte Leo XIII., der versteckt auf der Lauer saß, in die Hände und erschreckte die Vögel, die aufflogen und sich mit den Flügeln in den großen Maschen der Netze verfingen. Man brauchte sie nur noch aufzulesen und dann mit einem leichten Druck des Daumens zu ersticken. Gebratene Feigenfresser bilden ein köstliches Gericht.
    Als sie durch das Gehölz zurückkehrten, erlebte Pierre eine weitere Ueberraschung. Er stieß auf eine kleine, nachgeahmte, mit Hilfe von Felsen und Zementblöcken hergestellte Grotte von Lourdes. Seine Bewegung war so groß, daß er sie seinem Gefährten nicht verbergen konnte.
    »Es ist also wahr? ... Man hat es mir gesagt; aber ich habe mir den heiligen Vater geistiger und frei von diesem niedrigen Aberglauben vorgestellt.«
    »O, ich glaube, die Grotte stammt noch von Pius IX., der für die heilige Jungfrau von Lourdes eine besondere Dankbarkeit hegte,« antwortete Narcisse. »Auf jeden Fall muß das ein Geschenk sein, und Leo XIII. läßt es einfach in stand erhalten.«
    Einige Minuten lang blieb Pierre unbeweglich und schweigend vor dieser Nachahmung, vor diesem kindlichen, religiösen Spielzeug stehen. Mehrere Besucher hatten aus frommem Eifer ihre Visitenkarten hinterlassen, indem sie sie in die Spalten des Mörtels steckten. Das stimmte ihn sehr traurig, und er folgte seinem Gefährten mit gesenktem Kopfe, in verzweifeltes Sinnen über das alberne Elend der Welt verloren. Dann, als sie sich am Ausgange des Gehölzes abermals dem Rasenparterre gegenüber befanden, hob er die Augen.
    Großer Gott, wie köstlich war trotzdem dies Ende eines schönen Tages, und was für ein sieghafter Zauber stieg in diesem anbetungswürdigen Teile des Gartens aus der Erde auf! Hier, inmitten dieses kahlen, einsamen, edlen und brennend heißen Rasenparterres empfand er die ganze Kraft der mächtigen Natur – mehr als unter den matten Schatten des Gehölzes, mehr noch als in dem fruchtbaren Weingarten. Ueber dem mageren Rasen, der gleichmäßig die von den Alleen gebildeten geometrischen Abteilungen schmückte, sah man kaum einige niedrige Sträucher, Zwergrohr, Aloen; halb vertrocknete Blumenbüschel und grüne Büsche zeichneten im barocken Geschmack von einst noch das Wappen Pius' IX. Nichts störte die heiße Stille, als das leise, kristallene Geräusch des mittleren Springbrunnens, als der Tropfenregen, der unaufhörlich aus einem Becken herabfiel. Ganz Rom mit seinem feurigen Himmel, seiner majestätischen Anmut, seiner gewinnenden Wollust schien diese viereckige Zierat, ein riesiges Mosaik aus Grün, zu beseelen; halb vernachlässigt und zerrüttet, wie es war, nahm es durch den alten Schauer einer flammenden Leidenschaft, die nicht sterben konnte, einen schwermütigen Stolz an. Antike Vasen, antike Statuen, die nackt und weiß in der untergehenden Sonne standen, begrenzten das Parterre. Und stärker als der Duft des Eukalyptus und der Pinien, stärker auch als der der reifenden Orangen, stieg der Duft der üppigen Tobirabüsche auf, so voll von gierigem Leben, daß es den Vorübergehenden packte. Es war gleichsam der Duft der eingeborenen Kraft dieses alten, von menschlichem Staube getränkten Bodens.
    »Es ist wirklich sonderbar, daß wir Seine Heiligkeit nicht getroffen haben,« sagte Narcisse. »Ohne Zweifel ist der Wagen in die andere Allee gefahren, während wir uns beim Turm Leo IV. aufhielten.«
    Er kam auf seinen Vetter, Monsignore Gamba del Zoppo, zurück und erklärte, daß das Amt eines »Copiere«, eines päpstlichen Mundschenkes, das dieser als einer der vier bestallten Geheimkämmerer zu erfüllen hatte, nur noch ein reines Ehrenamt war, besonders seitdem die diplomatischen Diners und die Diners zur Feier von Bischofsweihen im Staatssekretariate, beim Kardinalsekretär stattfanden. Monsignore Gamba del Zoppo, dessen Hasenfüßigkeit und Unbedeutendheit zur Legende geworden war, schien keine andere Rolle zu spielen, als Leo XIII. aufzuheitern. Der Papst liebte ihn sehr wegen seiner fortwährenden Schmeicheleien und wegen der Anekdoten, die er über die ganze Gesellschaft, die schwarze und die
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