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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1
Autoren: Emil Zola
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und umbrischen Künstlern vorbereitet. Zum zweitenmale kommt ihm die Kunst von außen und verleiht ihm die Herrschaft der Welt, indem sie in ihm eine triumphirende Größe annimmt. Damals fand das außerordentliche Erwachen der Antiken statt; Venus und Apollo werden wiedergeboren und von den Päpsten selbst angebetet, die seit Nikolaus V. den Traum hegen, das päpstliche Rom dem kaiserlichen Rom gleich zu stellen. Nach den so aufrichtigen, zarten und starken Vorläufern, Fra Angelico, Perugino, Botticelli und so vielen anderen erschienen die Majestäten, Michel Angelo und Raffael, der Uebermenschliche und der Göttliche. Dann entsteht ein plötzlicher Verfall und hundertundfünfzig Jahre müssen verstreichen, bis man zu Caravaggio gelangt, zu allem, was die Kunst der Malerei in Ermanglung des Genies an krustiger Farbe und Darstellung erringen konnte. Dann setzt sich der Verfall bis Bernini fort, der der Umbildner, der wirkliche Schöpfer des heutigen Päpstlichen Roms ist, das Wunderkind, das von seinem zwanzigsten Jahre an ein ganzes Geschlecht von gewaltigen Marmortöchtern erzeugt, der alles umfassende Architekt, dessen erschreckende Thätigkeit die Fassade von St. Peter beendet, die Kolonnade erbaut, das Innere der Basilika geschmückt, zahllose Springbrunnen, Kirchen und Paläste errichtet hat. Das aber ist das Ende von allem, denn seither hat sich Rom nach und nach aus dem Leben zurückgezogen, täglich mehr aus der modernen Welt entfernt. Es ist, als ob diese Stadt, die immer von anderen Städten gelebt hat, vor Kummer sterbe, da sie ihnen nichts mehr nehmen kann, um sich daraus wieder Ruhm zu schaffen.
    »Ach, Bernini, der herrliche Bernini!« fuhr Narcisse halblaut mit seiner vergehenden Miene fort. »Er ist mächtig und vollendet, von stets bereitem Schwung und von unablässigem Scharfsinn. Er besitzt eine Fruchtbarkeit voll Anmut und Pracht! ... Da kommen sie mir immer mit ihrem Bramante, ihrem Bramante mit seinem Meisterwerk, der fehlerfreien und kalten Cancellaria! Nun gut, geben wir zu, daß er der Michel Angelo und Raffael der Architektur war, und reden wir nicht mehr von ihm! ... Aber Bernini, der treffliche Bernini, dessen angeblich schlechter Geschmack aus mehr Zartheit und Raffinement besteht als die Ungeheuerlichkeit und Vollendung der anderen! Die mannigfaltige und tiefe Seele Berninis, in der unser Zeitalter sich wiederfinden müßte, ist von einer triumphirenden Gesuchtheit, von einem so verwirrenden und aller niedrigen Wirklichkeit baren Streben nach dem Künstlichen! ... Sehen Sie sich doch in der Villa Borghese die Apollo- und Daphnegruppe an, die er mit achtzehn Jahren gemacht hat – sehen Sie sich vor allem in S. Maria della Vittoria seine heilige Therese in Verzückung an! Ach, diese heilige Therese! Man sieht den offenen Himmel, den Schauer, den der göttliche Genuß durch einen Frauenkörper rieseln lassen kann, die bis zu Krämpfen gesteigerte Wollust des Glaubens, die zerschmelzende Kreatur, die in den Armen ihres Gottes vor Freude stirbt! ... Ich habe Stunden und Stunden mit ihr zugebracht, ohne die kostbare, verzehrende Unendlichkeit des Symbols je erschöpfen zu können.«
    Seine Stimme erstarb; aber Pierre, der sich über seinen heimlichen, unbewußten Haß gegen die Gesundheit, Einfachheit und Kraft nicht mehr wunderte, hörte ihm kaum zu, da er selbst ganz von dem Gedanken beherrscht wurde, der ihn immer mehr überwältigte: Das heidnische Rom erwachte wieder in dem christlichen Rom und machte aus ihm das katholische Rom, den neuen politischen, hierarchisirten und beherrschenden Mittelpunkt der Regierung der Völker. War es denn, mit Ausnahme der ersten Katakombenzeit, je christlich gewesen? Die Gedanken, die ihn auf dem Palatin, in der Via Appia, dann in St. Peter überkommen hatten, setzten sich in ihm fort und fanden eine immer augenscheinlichere Bestätigung. Und an diesem Morgen, in der Sixtinischen Kapelle und in der Stanza della Segnatura, in der Betäubung, in die ihn die Bewunderung versetzte, hatte er den neuen Beweis, den das Genie lieferte, wohl verstanden. Freilich kam das Heidentum bei Michel Angelo und bei Raffael nur in der durch den christlichen Geist bewirkten Umwandlung wieder zum Vorschein. Aber lag es nicht zu Grunde? Kamen die riesigen nackten Figuren des einen nicht aus dem schrecklichen Himmel des Jehova, den er durch den Olymp gesehen? Zeigten die idealen Gestalten des andern nicht unter dem keuschen Schleier der Jungfrau die herrlichen und
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