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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1
Autoren: Emil Zola
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Damasiushof führen.
    Sie schritten durch den langen Gang, die Straße, die sich zwischen einem Flügel des Palastes und der Mauer der päpstlichen Gärten hinzieht. Endlich kamen sie in dem Antikenmuseum an. Ach, dieses ungeheure, aus endlosen Sälen gebildete Museum, dieses Museum, das eigentlich aus drei Museen besteht – dem sehr alten Museum Pio-Clementino, dem Museum Chiaramonti und dem Braccio-Nuovo – es ist eine ganze Welt, die in der Erde wiedergefunden, ausgegraben und im hellen Tageslichte verherrlicht ward. Der junge Priester wanderte bereits seit zwei Stunden herum, ging von einem Saal zum andern, geblendet von diesen Meisterwerken, betäubt von so viel Genie und so viel Schönheit. Nicht nur die berühmten Stücke setzten ihn in Staunen, der Laokoon und Apollo von Belvedere, auch nicht die Statuen des Meleager, nicht einmal der Torso des Herkules. Er ward mehr von dem Gesamtbilde gepackt, von der zahllosen Menge der Venusse, der Bacchusse, der vergötterten Kaiser und Kaiserinnen, von diesem ganzen prächtigen Sprossen schöner, erhabener Körper, die die Unsterblichkeit des Lebens feierten. Drei Tage zuvor hatte er das Museum auf dem Kapitol besichtigt, wo er die Venus, den sterbenden Gallier, die wunderbaren Centauren aus schwarzem Marmor, die seltene Büstensammlung bewundert hatte, hier aber verzehnfachte sich diese Bewunderung durch den unerschöpflichen Reichtum der Säle bis zur Verblüffung. Und da er vielleicht mehr nach Leben als nach Kunst begierig war, stand er wieder selbstvergessen vor den Büsten, die so wirtlich das historische Rom aufleben ließen, das freilich der idealen Schönheit Griechenlands unfähig war, aber Leben erzeugte. Ja. das sind sie alle, die Kaiser, die Philosophen, die Gelehrten, die Dichter, und alle sind wunderbar lebensvoll, ganz so, wie sie waren. Der Künstler hatte sie studirt und gewissenhaft mit ihren Entstellungen, ihren Mängeln, den geringsten Eigentümlichkeiten ihrer Züge wiedergegeben; und aus diesem übertriebenen Streben nach Wahrheit entsprang das Charakteristische, eine Beschwörung von unvergleichlicher Kraft. Es gibt mit einem Worte nichts höheres; es sind die Menschen selber, die wieder aufleben, die die Geschichte wieder erstehen lassen – diese falsche Geschichte, durch deren Unterricht Generationen von Schülern das Altertum verabscheuen. Aber nun, wie begriff man sie, wie sympathisirte man mit ihnen! Und so kam es, daß die geringsten Marmorbruchstücke, die abgebrochenen Statuen, die zerstückelten Basreliefs, sogar ein einzelnes Glied, der göttliche Arm einer Nymphe oder der nervige Schenkel eines Satyrs, den Glanz einer leuchtenden, großen und gewaltigen Zivilisation heraufbeschworen.
    Narcisse führte Pierre in die hundert Meter lange Galleria dei Candelabri, wo sich sehr schöne Skulpturen befinden.
    »Hören Sie, lieber Abbé, es ist erst vier Uhr. Wir wollen uns einen Augenblick hier niedersetzen, denn wie man mir gesagt hat, kommt es manchmal vor, daß der heilige Vater hier durchgeht, wenn er sich in die Gärten begeben will ... Es wäre ein wahres Glück, wenn Sie ihn sehen könnten ... wer weiß, vielleicht gar sprechen ... Auf jeden Fall werden Sie sich ausruhen. Ihre Knochen müssen ja schon ganz zerbrochen sein.«
    Alle Wächter kannten ihn. Seine Verwandtschaft mit Monsignore Gamba del Zoppo öffnete ihm alle Thüren des Vatikans, wo er gerne ganze Tage verbrachte. Zwei Stühle standen da; sie ließen sich auf ihnen nieder und Narcisse begann sofort wieder von Kunst zu reden.
    Was für ein erstaunliches Los, was für eine erhabene und geborgte Königswürde besitzt dieses Rom! Es scheint ein Mittelpunkt zu sein, in dem die ganze Welt zusammenläuft und gipfelt, wo aber nichts aus dem von Anfang an mit Unfruchtbarkeit geschlagenen Boden selbst hervorsprießt. Die Künste müssen hier heimisch gemacht, der Genius der benachbarten Völker hierher verpflanzt werden, aber von nun an blühen sie herrlich. Unter den Kaisern, als Rom die Königin der Erde ist, erhält es die Schönheit seiner Denkmäler und seiner Skulpturen von Griechenland. Später, als das Christentum entsteht, ist es in Rom ganz vom Heidentum durchtränkt. Erst anderwärts, auf einem andern Boden erzeugt es die gotische Kunst, die christliche Kunst in ihrer höchsten Vollendung. Noch später, in der Renaissance, blüht wohl in Rom das Jahrhundert Julius' II. und Leos X., aber die Bewegung, die ihm seinen wunderbaren Aufschwung verleiht, wird von toskanischen
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