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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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hängen, rappelt sich dann aber schnell wieder auf, um sich dem Sepp in ihrer besten Form zu zeigen.
    So ist es jedes Mal. Unter den Rosen gibt es immer einen großen Trubel, wenn der Sepp anwesend ist. Allein seiner Autorität ist es zu verdanken, dass die zwischenpflanzlichen Querelen nicht in Blattgreiflichkeiten ausarten.
    Die Rosen halten sich für die Schönsten, die Wertvollsten, die Herzblättchen vom Chef. Über alle anderen rümpfen sie ihre Kelchblätter. Jetzt, wo ich blühe, bekomme ich dauernd irgendwelche Kränkungen zu hören: »Was du da verströmst, kann man wirklich nicht als Duft bezeichnen. Hör endlich auf, uns mit deinem Gestank zu belästigen.« So oder so ähnlich, Tag für Tag.
    Da dürfen sie sich kaum wundern, dass ich nicht klage, wenn mal ein paar von ihnen eingehen. Den aufgeblasenen Holländerinnen vor drei Jahren geschah es ganz recht, mal ehrlich. Da hatte der Sepp bei einer niederländischen Spezialgärtnerei eine Auswahl von ganz seltenen Rosensorten bestellt. Schon kurz nach ihrer Ankunft machten sie sich dermaßen unbeliebt, dass keiner mehr mit ihnen sprechen mochte. Im ersten Winter standen sie im kleinen Gewächshaus, zur Akklimatisierung. Dort haben sie sich breitgemacht und alle anderen pflanzlichen Bewohner der Gärtnerei mit spitzen Bemerkungen traktiert. Vor dem zweiten Winter hat der Sepp sie draußen eingepflanzt, schön angehäufelt, wie sich’s gehört, aber es waren eben holländische Rosen. Die sind den bayrischen Winter nicht gewohnt.
    Wie haben sie erbärmlich mit den Stacheln geklappert. Sie haben gejammert, geschlottert und geseufzt, doch der Frost hat nicht nachgelassen. Und irgendwann waren sie still. Tot. Der Sepp hat noch gehofft, dass sie im Frühjahr austreiben. Umsonst. Nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der so in sich zusammengesunken dastand wie der Sepp damals im Frühling. Als ihm klar wurde, dass nichts mehr zu machen war, hat er sie ausgegraben und zu einem Haufen hinter dem kleinen Gewächshaus aufgeschichtet. Ein Rosenfriedhof, direkt vor meinen Augen. Sie ganz zu entsorgen hat er nicht übers Herz gebracht. Schließlich waren sie seine Schätzchen gewesen.
    Noch heute bleibt der Sepp manchmal ganz niedergeschlagen vor dem Haufen stehen. Immer seltener allerdings, denn die lebenden Lieblinge beschäftigen ihn zur Genüge. Vor allem seine neueste Errungenschaft: Seit letztem Sommer haben wir Prominenz im Rosenquartier.
    »Ich heiße ›Fürstin Tatjana Alexandrowna‹«, stellte sie sich vor. »Ich wurde schon im 18. Jahrhundert in Sankt Petersburg gezüchtet. Ich bin eine Seltenheit ! Ich galt lange Zeit als verschollen, von mir waren nur noch zwei Exemplare übrig. Und der Sepp ist bis nach Weißrussland gereist, um mich zu holen!«
    Dabei reckte sie ihre pfirsichfarbenen Blüten so hoch, wie sie konnte. Die sind nicht hässlich, das muss man zugeben. Mit ihrem Duft ist es jedoch nicht weit her, obwohl sie das glaubt. Mir wird ganz übel, wenn ich diese großspurigen Sprüche den ganzen Tag ertragen muss. Zum Glück regen sich die anderen Rosen auch darüber auf und stauchen die »Fürstin« von Zeit zu Zeit richtig zusammen. Ihre Petalen hält sie dann aber leider immer nur für kurze Zeit zugeklappt. Der Jens würde ihr am liebsten ganz das Maul stopfen. Er wollte sogar mit einem Gentest nachprüfen lassen, ob unsere Fürstin wirklich von den Sankt Petersburger Rosen abstammt, aus denen sie gezüchtet worden sein soll. Der gönnt dem Sepp nämlich seinen Erfolg mit der Auffindung nicht. Da hat er aber auf Granit gebissen: »Geh ma fort mit so am neimodischn Käs!«, hat der Sepp gesagt. »I  woaß , dess die’s is. I hob meine Gründ, de wo du ned verstehst.«
    Auch wegen dieses Haufens aus dürren Rosen geraten der Gärtner und sein Schwiegersohn immer wieder aneinander. Der Jens wollte das Gestrüpp schon oft verbrennen, aber der Sepp hat ihn jedes Mal wütend daran gehindert.
    »Wie sieht denn das aus, wenn wir einen Kunden durch die Gärtnerei führen, und da liegt ein Haufen von dürren Rosen? Da muss der Kunde ja denken, bei uns seien die Pflanzen nicht in den besten Händen«, argumentierte der Jens.
    »Hinter meim Gwächshaus hot a Kunde überhaupts nix verlorn! Do hob bloß i Zutritt. Und du kost aa ned grod do rumlaufa, wia’s dir passt, ohne mi zum frogn. De Rosen bleim, wo sie san, und basta.«
    Das war das letzte Wort vom Sepp zu diesem Thema.
    Deshalb bin ich auch kein bisschen überrascht, als ich den Jens jetzt, am
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