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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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besichtigt. Von Dienstagmorgen bis heute Nacht um Viertel nach eins war ich unterwegs.«
    »Welcher Betrieb war das?«
    »Die Baumschule heißt ›Timm von Ehern‹. Sehr renommiert. Ich wurde dort von einem Herrn Jespersen herumgeführt. Rufen Sie ihn einfach an.«
    »Haben Sie noch die Bahnfahrkarten von Ihrer Reise?«
    »Natürlich, die kann ich Ihnen geben. Aber ich brauche sie zurück, für die Steuer.«
    »Könnten Sie mir vielleicht noch erklären, warum Sie die Leiche Ihres Schwiegervaters verbrennen wollten?«
    »Das wollte ich überhaupt nicht! Ich hatte keine Ahnung, dass er dort liegt. Ich habe mir nur gedacht, wenn er sich herumtreibt, nutze ich die Gelegenheit, um hier endlich Ordnung zu schaffen. Er hatte nämlich was dagegen, dass die erfrorenen Rosen entsorgt werden. Warum auch immer. Also, vernünftig war er selten. Sie müssen doch selbst zugeben, dass der Haufen fürchterlich ausgesehen hat. Außerdem, wenn ich den Schwiegervater hätte verbrennen wollen, dann hätte ich ihn doch oben auf den Scheiterhaufen gelegt und nicht darunter! Darunter wäre er wahrscheinlich überhaupt nicht richtig verbrannt.«
    »Und als sie das Zeitungspapier unter die Rosen schoben, ist Ihnen da gar nichts aufgefallen?«
    »Nein, gar nichts. Sie versuchen, mir irgendwas unterzuschieben, was vorne und hinten keine Logik hat!« Der Jens starrt dem Stuhlinger erbost in die Augen. Dann beruhigt er sich ein bisschen und wendet den Blick in eine andere Richtung. »Da! Sehen Sie, das war der Mörder«, ruft er plötzlich.
    »Wie? Wo? Was meinen Sie? Ich sehe niemanden.«
    »Dort hinten. Das Tor zum Kompost ist offen.«
    »Das ist schon die ganze Zeit offen.«
    »Normalerweise ist es aber durch eine Kette mit Vorhängeschloss abgesperrt. Vor meiner Abreise hing sie noch da, jetzt ist sie weg. Ich bin mir absolut sicher. Wer auch immer meinen Schwiegervater ermordet hat, muss das Schloss geknackt haben und ist dort hinten hereingekommen. So eine Kette hat man mit einem Bolzenschneider in zwei Sekunden durch. Ich sage Ihnen, Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie mich verdächtigen: Suchen Sie die Kette, dann haben Sie den Mörder. Mich würde es übrigens nicht wundern, wenn dieser Landwirt, der Berglmaier senior, dahintersteckt. Mit dem hatte der Schwiegervater dauernd Streit um ein paar Quadratmeter Land, auf die beide Anspruch erhoben, ohne den Besitz nachweisen zu können. Mein Schwiegervater hat das Grundstück genutzt, aber nach Berglmaiers Ansicht widerrechtlich.«
    Ich nicke leicht im Wind. Dass der Sepp mit dem alten Berglmaier Streit hatte, ist noch weit untertrieben. Ein richtiger Kleinkrieg war das, wenn ihr mich fragt. Der Berglmaier ist der größte Bauer von Reindlfing. Er hat einen Riesenbetrieb mit mehreren supermodernen Ställen. Als Hobby betreibt er einen kleinen Stall ganz traditionell, mit Misthaufen und allem. Am Berglmaierhof wird für durchreisende Gäste eine zünftige bayrische Brotzeit angeboten; da soll es wenigstens in einer Hofecke so aussehen wie in der guten alten Zeit. Doch das liebste Hobby vom Berglmaier war bis heute der Kampf um das Kofel-Eck.
    Das Kofel-Eck ist ungefähr drei Meter breit, zwölf Meter lang und liegt am besagten Kofel, einem Hügel, den irgendein Gletscher mal in Reindlfing vergessen hat. Das Land vom Berglmaier liegt auf der einen Seite vom Kofel-Eck, das Land vom Sepp liegt auf der anderen Seite. Wem das Kofel-Eck selbst gehört, ist nicht ganz klar. Irgendwie fehlen auf dem Grundbuchamt die Unterlagen darüber. Dem Sepp gehört es offiziell jedenfalls nicht. Aber dem Berglmaier auch nicht. Dem schon gleich gar nicht, fand der Sepp. Fürs Grundbuchamt existiert das Kofel-Eck überhaupt nicht. Umso mehr für den Sepp und den Berglmaier. Sie hatten sich in die Sache richtig verbissen. Vielleicht weil sie beide Witwer waren und deshalb auf beiden Seiten der mäßigende weibliche Einfluss fehlte.
    Obwohl der Berglmaier als Großbauer im Dorf wesentlich mehr zu sagen hatte als der Sepp, war es diesem in den letzten Jahren gelungen, im Kofel-Eck so etwas wie vollendete Tatsachen zu schaffen. Aber das auch nur, weil der Berglmaier dort mit seinen Maschinen nicht richtig hinkam. Und sich mit den eigenen Händen abzuplagen, war ihm zu mühsam, bei seinem Übergewicht. Der Sepp hingegen pflanzte dort jedes Frühjahr im Schweiße seines Angesichts die Gemüsesetzlinge ein, die er nicht losgebracht hatte, und schmiss noch ein paar Samen dazu. Die armen Kreaturen, die dort ihr restliches
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