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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot
Autoren: Ingrid Noll
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Namen Daisy.
    Durch Empfehlung von Herrn Fähringer, der dieses Bild im gutbesuchten Restaurant übers Büffet hängen ließ, kam ich zu weiteren Aufträgen. Zwar verdiene ich zu wenig, um alle Lebenshaltungskosten zu bestreiten, aber ich komme zurecht. Reinhard schickt einen monatlichen Scheck, der so eben für Laras und Josts Unterhalt ausreicht.
    Kurz vor Weihnachten zog ich mit den Kindern in meine neue Villa, während Reinhard statt auf dem ledernen Bürosofa wieder im Fachwerkhäuschen im rot karierten Bauernbett schläft. Da ich nun viele große Räume besitze, die ich gar nicht alle bewohnen kann, hatte ich beschlossen, zwei Zimmer zu vermieten. Es war kein Zufall, daß Imke bei uns einzog. Jedes Kind bekam sein gemütliches Reich, ich richtete mir den Wintergarten als Atelier ein. Das große Wohn- und Eßzimmer vermittelt durch weitgehende Leere ein nie erlebtes luxuriöses Raumgefühl.
    Der Umzug machte mir anfangs nichts als Freude. Imke wohnt neben Lara im ehemaligen Schlafzimmer, ohne zu wissen, daß Udo dort gestorben ist. Im übrigen ist sie ein Herz und eine Seele mit meiner Tochter, bäckt mit ihr an jedem Wochenende einen Kuchen und liest ihr Gedichte von Hermann Hesse vor.
    Ich selbst habe mir endlich ein eigenes Bett gekauft, ein gesundes, wie ich es in der Sprache meiner Mutter nenne, und habe es in Udos früheres Büro gestellt. Hier, in diesem neutralen Raum, werden mich keine bösen Geister um den Schlaf bringen. Endlich habe ich die Möglichkeit, den Spinnen im Haus freie Bahn zu lassen, Reinhard hat das nie geduldet. Die zarten Netze, die mich umgeben, schützen und behüten mich.
    Bereits nach vier Monaten hörte ich von Birgit, daß Reinhard eine Freundin habe. Bei der Besichtigung eines energie-autarken Solarhauses hatte er eine junge Architektin kennengelernt, die sich für alternative Bauweisen, nämlich Häuser ohne Schornstein und Stromanschluß, interessierte. Sie war arbeitslos und witterte in der Weiterbildung auf dem Sektor transparenter Wärmedämmung eine gewisse Chance. Schon bald zog sie bei Reinhard ein und machte Birgits Arbeit überflüssig. Martina erledigt alle Büroarbeiten, füllt die Waschmaschine und ist dank frühkindlicher Prägung eine Meisterin in der Kunst der Spätzle- und Maultaschenzubereitung. Lara, die ihren Vater häufig besucht, erzählte mir, daß Reinhard die Neue »Schätzele« nenne und sie ihn scherzhaft »Labbeduddel«. Reinhard hat durch resolute Belehrung endlich die Wichtigkeit der korrekten Müllsortierung begriffen.
    Meine neugierige Tochter fragte ihren Vater ungeniert, ob er Martina heiraten wolle. Er habe gebrummt: »Das weiß der Sell auf dem Dach.«
    Sollte ich mich freuen, daß es meinem Mann offensichtlich gutgeht? Leider bin ich zu derart philanthropischen Gefühlen nicht fähig. Ich grämte mich, es wurmte mich, ich lehnte die neue Frau ab und verlangte von Lara dennoch eine detaillierte Schilderung ihres Aussehens. »Ganz normal«, sagte sie.
    »Und was hat sie an?«
    Lara überlegte. »Weiß nicht, nichts Besonderes, geh doch selbst und guck sie dir an!« Aber dazu war ich zu stolz.
    Es gibt Zeiten, da bin ich in Hochstimmung, mache Pläne für die Feier zum vierzigsten Geburtstag und für eine Reise mit Ellen, male, richte die Wohnung immer besser ein, besuche einen Radierkurs oder eine Ausstellung. Sogar den Garten will ich im Frühling neu anlegen; ich erwäge, ob ich Silvias Rhododendronbüsche abholzen soll. Es ist wunderbar, zu Bett gehen zu können, wann man Lust dazu hat, kochen zu können, was man mag, und gewissermaßen keinem Herrn, sondern nur den Kindern dienen zu müssen. Aber gelegentlich, zum Beispiel heute, überkommt mich große Traurigkeit, und ich muß mich sehr zusammennehmen, um nicht an einsamen Abenden zur Flasche zu greifen. Jost macht mir Sorge, er kapselt sich ab, verhält sich aggressiv gegen mich, versagt in der Schule, weint im Schlaf.

    Gerade habe ich erfahren, daß Lucie und Gottfried eine Party geben und nicht mich, sondern Reinhard und Martina eingeladen haben. Andererseits war ich ohne ihn zu Gast bei Birgit, die von Reinhard auch nicht mehr gebraucht wird. Außer mir kamen nur Ehepaare. Man saß zwar in bunter Reihe, aber meinetwegen mußten zwei Frauen nebeneinander sitzen und musterten mich argwöhnisch, fast unfreundlich. Ich weiß, daß ein Gerücht im Umlauf ist: Udo habe seiner langjährigen Geliebten die Villa vermacht; demnach wurde Silvia durch meine Schuld von Haus und Hof vertrieben und
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