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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot
Autoren: Ingrid Noll
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hatte eine bessere Idee.
    »Unter einer Bedingung schalte ich die Polizei noch nicht ein. In Zukunft will Reinhard sicherlich mit dir in unserem Häuschen leben, aber schließlich muß auch ich irgendwo bleiben. Deswegen schlage ich einen Haustausch vor.«
    Die verheulte Silvia fing beinahe an zu lachen. »Du bist wohl nicht bei Trost! Ich ziehe doch in keinen Kaninchenstall«, sagte sie. »Meine Pläne sind ganz anders. Jetzt, wo ich endlich die finanziellen Mittel habe und nicht mehr durch Udos Beruf an diesen Standort gebunden bin, werde ich einen Pferdehof in Norddeutschland kaufen, ich habe noch nie besonders gern in Weinheim gelebt. Von mir aus kannst du das Haus mieten, wenn es auch zu groß für dich ist, aber ich fürchte, du wirst keine zweitausend Mark im Monat aufbringen.«
    »Nein, das kann ich wirklich nicht zahlen«, sagte ich. »Um mietfrei zu wohnen, muß ich es besitzen. Aber daß wir uns richtig verstehen: Ich will es nicht gemietet, sondern geschenkt.«
    Silvia und auch Reinhard sahen mich staunend an.
    »Das darf ich nicht machen«, sagte Silvia betont langsam, als spräche sie mit einer geistig Behinderten. »Dieses Haus gehört nicht mir allein, es ist das Erbteil meiner Kinder; ich kann es nicht einfach hergeben!«
    »Wenn du im Gefängnis sitzt, werden sie viel Spaß an ihrem Erbe haben«, sagte ich trocken. »Weil du es nicht anders willst, rufe ich jetzt die Polizei!«
    Spielerisch ließ ich das Messer ein wenig blitzen. Meine beiden Kontrahenten sahen mir ungläubig dabei zu. Ich war in Hochform, so daß mir ein zweiter Schachzug einfiel: »Bei meinem Rechtsanwalt liegt übrigens ein handgeschriebenes Protokoll über den Kriminalfall Udo. Sollte mir etwas zustoßen, wird dieses versiegelte Schreiben geöffnet.« Davon war zwar kein Wort wahr, aber ich konnte es nachholen.

    Als Reinhard und ich schließlich wieder zu Hause eintrafen, nutzte Jost sofort die Gunst der Stunde, denn er spürte, daß wir den Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen hatten. »Wenn ich schon keinen Ohrring kriege, dann will ich wenigstens ein Tamagotchi!«
    Reinhard sah ihn derart fassungslos an, daß er blitzschnell in seinem Zimmer verschwand.
    Wie sehr in meinem Kopf auch Chaos herrschte, so konnte ich doch den Hunger meiner Kinder nicht ignorieren. Ich nahm zwei Schollen aus dem Gefrierfach, obgleich ich wußte, daß Reinhard panische Angst vor Gräten hatte und alle Fischgerichte mied. Als das Essen schließlich auf dem Tisch stand, verzog er sich wie kurz zuvor unser Sohn. Bald darauf mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß er einen kleinen Koffer packte. Er müsse noch arbeiten, sagte er wehleidig, und werde im Büro übernachten, wo er endlich allein sein und nachdenken könne.
    »Der Papa ist grätig«, meinte Jost.
    Als die Haustür ins Schloß fiel, kam mir der fürchterliche Verdacht, daß Reinhard jetzt zu Silvia fuhr, um sich verköstigen zu lassen. Zwar nahm ich an, daß er von uns beiden nichts mehr wissen wollte, aber Hunger und Geiz konnten viel bewirken.
    Die nächsten Tage sahen wir uns nicht. Die Kinder vermißten ihren Vater und fragten häufig nach ihm. »Ihr könnt ihn im Büro besuchen«, sagte ich, »aber ihr müßt vorher anrufen, sonst ist er vielleicht nicht da.« Das war ihnen zu mühsam.
    Schon am Tag nach der großen Auseinandersetzung war ich beim Notar, wo ich meine Niederschrift über Udos Todesursache hinterlegte. Ich mußte immerhin damit rechnen, daß mir Silvia nach dem Leben trachtete. Damit ich etwas Konkretes in der Hand hatte, bat ich Gerd Triebhaber, ein Protokoll über das Analyseergebnis zu verfassen. »Mach ich, Röslein, aber nur, wenn du mit mir essen gehst!« Ich versprach es.
    In Begleitung des staunenden Rechtsanwalts besuchte ich Silvia ein weiteres Mal; da sie von Udo testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt war, konnte eine Überschreibungsurkunde aufgesetzt und ein Ultimatum für den Umzugstag festgelegt werden. Inzwischen war sie so zermürbt, daß sie in allen Punkten nachgab. Seltsamerweise erfaßte uns beide eine geradezu hektische Betriebsamkeit, wir trafen uns in den nächsten Wochen beinahe täglich. Silvia hatte einen Makler damit beauftragt, einen geeigneten Bauernhof zu suchen. Freudig erregt legte sie mir Fotos und Baupläne vor.
    »Du solltest Reinhard um Rat fragen«, empfahl ich, »er kennt sich aus. Wenn du ein großes Projekt sanieren willst, kannst du als Laie die Kosten schwerlich abschätzen.«
    Silvia hatte Angebote von mehreren
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