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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot
Autoren: Ingrid Noll
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    HEUTE MIT ANNE IM BETT. GLÜCKLICH WIE NOCH NIE IM LEBEN. Vor Schreck war ich sprachlos; es konnte sich nur um eine andere Anne handeln.
    Reinhard ließ die Agenda fallen und sprang erregt hoch. »Der Sauhond«, rief er.
    Ich hob das längliche Büchlein vom Boden auf, blätterte und fand die bewußte Stelle sofort wieder. Es gab nichts daran zu rütteln, jeder Buchstabe war klar zu lesen: mein Name in Udos Terminkalender.
    Aber etwas kam mir doch seltsam vor. Bis zu diesem Eintrag war kein einziger persönlicher Satz, kein Gedankenblitz, kein Memorandum oder etwa ein Zitat notiert worden.
    »Wieso konntest du diesen Schwindel überhaupt lesen, wenn du den Safe nicht aufgekriegt hast?« fragte ich scharf.
    »Bis vor einiger Zeit lag der Terminkalender immer auf Udos Schreibtisch«, sagte Silvia, »ganz offen und selbst für die Kinder zugänglich! Aber dann ist ihm die Sache wohl zu brisant geworden, und er hat sein Tagebuch eingeschlossen.«
    »Ein Terminkalender ist kein Tagebuch«, sagte ich. »Zwar kenne ich Udo nicht so gut wie du, aber ich halte diese Zeile für eine Fälschung. Vielleicht wollten dir deine Töchter einen Streich spielen.«
    Silvia schüttelte den Kopf. »Es ist Udos Schrift, dafür lege ich die Hand ins Feuer. Außerdem kann kein anderer als er den Terminkalender in den Safe gelegt haben. Und warum wohl? Natürlich weil er vorhatte, seine amourösen Verabredungen von nun an zu protokollieren.«
    Nachdem sich Reinhard einen Schnaps geholt hatte, verteidigte er den Toten: »So dumm war Udo nicht, ein solches Risiko einzugehen. Jeder weiß, daß Weiber zu Hyänen werden, wenn sie Verrat wittern.« Dabei sah er uns beide mißbilligend an.

Dornröschen

    Kaum hatte sie meinen angeblichen Fehltritt nachgewiesen, bekam Silvia wieder Oberwasser; das ging so weit, daß sie sich erdreistete, hinter Reinhard zu treten und ihn rücklings zu umhalsen. Beim Anblick dieser unverfrorenen Liebesbezeugung wurde mir regelrecht schlecht. Gott sei Dank machte Reinhard sich etwas verlegen wieder frei.
    Durch seine Geste fühlte sich Silvia gekränkt; beleidigt räumte sie Schnaps- und Biergläser ab und trug sie in die Küche. Reinhard stand am Fenster und schaute mit melancholischem Ausdruck in den Garten, während ich weiter im Terminkalender blätterte. Ob ich noch andere Eintragungen erwarten konnte, in denen mich Udo als beglückende Bettgenossin lobte? Obwohl seine Behauptung frei erfunden war, gefiel mir seine diesbezügliche Zufriedenheit ausnehmend gut.
    Nach jenem entscheidenden Vermerk folgten seitenlang nur langweilige Notizen, bis ich plötzlich einen spitzen Schrei ausstieß:

    DAS HAT JA LANGE GEDAUERT, BIS DU DEN SAFE GEKNACKT HAST, ICH HÄTTE DIR ETWAS MEHR INTELLIGENZ ZUGETRAUT. SEIT JAHREN WÜHLST DU IN MEI NEN SACHEN HERUM, MACHST UM JEDES BARBUSIGE COVERGIRL EINEN GROSSEN WIRBEL UND WITTERST IN ALLEN DEINEN FREUNDINNEN MEINE HEIMLICHE GELIEBTE. HEUTE ERFÄHRST DU ENDLICH DIE NACKTE WAHRHEIT: MEIN BERUF DIENT MIR NUR ALS ALIBI, DENN ICH MACHE DEN GANZEN TAG NICHTS ANDERES, ALS FRAUEN FLACHZULEGEN.

    Silvia war dumm genug, im ersten Moment »Na also!« zu kreischen, bis sie an unseren Gesichtern erkannte, daß ihre Reaktion verfehlt war.
    Nach einer Minute betroffenen Schweigens sagte ich: »Und wegen solchem Quatsch hast du den armen Udo umgebracht!«
    Die dumme Gans versicherte: »Er hat's verdient!« und merkte reichlich spät, daß diese Worte einem Geständnis gleichkamen. »Er ist an Herzrhythmusstörungen gestorben, Dr. Bauer kann es bestätigen«, sagte sie, im Bemühen, ihren Fauxpas wieder auszubügeln.
    Aber nun war meine Stunde gekommen. In aller Ausführlichkeit legte ich dar, wie ich die bewußte Flasche aus unserem Mülleimer gefischt hatte und den Inhalt anschließend analysieren ließ.
    »Offensichtlich bist du nicht fähig, mir auch nur einen einzigen Gefallen zu erweisen!« fauchte Silvia über mich hinweg in Reinhards Richtung. »Ich hatte angeordnet, daß du die Flasche in den öffentlichen Container werfen sollst! Aber nein, zu faul für den kleinsten Umweg. Wo doch jeder weiß, daß Anne einen Tick mit der Mülltrennung hat...«
    »Silvia«, sagte ich leise, »du brauchst nicht mehr zu toben. Ich rufe jetzt die Polizei.«

    Die schönste aller Blumen ist die Rose. Auch Kachel Ruysch hat in ihrem kleinen Blumengebinde einen Zweig mit blaß-rosa Edelrosen in den Mittelpunkt gestellt, eskortiert von allerlei Blüten, die ohne Aufwand in jedem Garten wachsen:
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