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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot
Autoren: Ingrid Noll
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A gesagt und mußte wohl oder übel auch B sagen.
    »Du hast den vergifteten Saft heimlich von Udos Nachttisch genommen und in unseren Mülleimer geworfen«, sagte ich. »Also muß man davon ausgehen, daß dich Silvia darum gebeten hat. Niemand wird dir abnehmen, daß du keine Ahnung von ihren Machenschaften hattest.«
    »Moment mal«, sagte Reinhard. »Ich gebe ja zu, daß ich aus lauter Zorn über dein ewiges Theater mit Silvia geschlafen habe. Aber als sie mich bat, die Flasche zu entfernen, hat sie mir einen plausiblen Grund dafür genannt.«
    Ich erfuhr nun, daß Silvia behauptet hatte, Udo löse seine abendlichen Pillen stets in Saft auf, damit er sie besser schlucken könne. Falls der Arzt am Totenbett auf die Idee käme, diesen Saft untersuchen zu lassen, wäre das eine überflüssige und zeitraubende Sache, die nur unnötige Komplikationen mit sich bringe. »Also hat sie mir am Telefon - damals, als wir sie benachrichtigt haben - den Auftrag erteilt, die Flasche diskret verschwinden zu lassen«, schloß Reinhard.
    »Wie dumm bist du eigentlich«, fuhr ich ihn an, »daß du auf diesen hanebüchenen Unsinn hereinfällst? Man löst doch Tabletten in einem Glas und nicht in einer Flasche auf! Dem Saft waren außerdem keine Pillen, sondern Udos Herztropfen beigemischt, und zwar in einer Menge, die einen Ochsen umhauen würde. Auf Udos Nachttisch stand auch gar kein Glas, dafür lag ein Teelöffel für die Tropfen bereit. Silvia ist eine Mörderin, und du wirst wegen Beihilfe ebenfalls belangt werden.«
    An seiner zunehmenden Aggression bemerkte ich, daß sich Reinhard in die Enge getrieben fühlte. »Wenn du nicht mit Udo gevögelt hättest«, gab er meine Anklagen ziemlich grob zurück, »dann wäre alles nicht passiert. Sonst hätte ich doch niemals ausgerechnet mit Silvia etwas angefangen! Du weißt doch selbst am besten, daß sie überhaupt nicht mein Typ ist!«
    »Los«, fauchte ich. »Es wird immer später. Dr. Bauer wartet auf uns. Im übrigen habe ich, im Gegensatz zu dir, noch niemals Ehebruch begangen. Und mit Udo würde ich es schon gar nicht tun; wenn Silvia nicht dein Typ sein soll, so war Udo erst recht nicht der meine. Falls du mir nicht glaubst, laß mich sofort aussteigen! Dann bleibe ich nämlich keine Minute länger im Auto sitzen.«
    Das wirkte, er fuhr endlich weiter. Wortlos legten wir das letzte Stück bis zur Praxis zurück, wo ich mühsam hinauskletterte. Reinhard reichte mir keinen stützenden Arm, sondern setzte sich ins Wartezimmer und starrte vor sich hin.
    Dr. Bauer half mir auf die Untersuchungsliege. Als erstes wollte er wissen, wie denn das passiert sei.
    »Ein Unfall!« rief Reinhard durch die geöffnete Tür.
    Dr. Bauer lachte. »Sie haben doch nicht etwa Ihre Frau verdroschen?« fragte er scherzhaft.
    Das würde ich in den nächsten Tagen häufiger zu hören bekommen. »Kellertreppe«, sagte ich.
    »Und wer hat diesen genialen Verband angelegt?« forschte er weiter und wickelte Laras Knäuel kopfschüttelnd wieder ab. »Morgen können Sie mit den schönsten Hämatomen angeben; wahrscheinlich wird es heute nacht ziemlich weh tun, aber zum Glück haben wir keine Fraktur. Ich gebe Ihnen eine abschwellende Salbe und ein Schmerzmittel mit. Ihr Mann soll Sie die nächsten Tage auf Händen tragen!«
    Ich hatte noch etwas auf dem Herzen. »Herr Doktor«, sagte ich, »erinnern Sie sich, wie Sie uns am Totenbett unseres Freundes antrafen? Stimmt es, daß er keine Tabletten schlucken konnte?«
    Dr. Bauer meinte: »Eigentlich darf ich über meine Patienten keine Auskunft geben, auch nicht über die verstorbenen. Fragen Sie doch seine Witwe, wie problematisch es manchmal war, die Medikamente in flüssiger Form zu rezeptieren.«
    Reinhard sollte hören, wie recht ich hatte.

    Auf der Rückfahrt hielt er schon wieder an, weil ihm etwas Entscheidendes eingefallen war. »Du mußt dich irren«, sagte er. »Sie kann keine Mörderin sein. Ich erinnere mich nämlich gerade, daß du den restlichen Saft vor meinen eigenen Augen ausgetrunken hast. Oder bist du eine Hexe und kannst Gift vertragen, das einen Ochsen umhaut?«
    Nun war es an mir, ihm den Sinn meines Tests zu erklären. »Es war gar nicht die bewußte Flasche. Ich wollte wissen, ob du mich kaltblütig sterben lassen würdest!«
    Mit Reinhards Fassung war es vorbei. »Ha noi, was han i bloß für e saublöds Weib gheiradet! I hätt doch nimmer ruhig zugschaut!« Hier riß er sich zusammen und unterließ den Rückfall ins Schwäbische.
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