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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition)
Autoren: Carl Nixon
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Stadt zu füllen. Die Leute parkten zumeist weiter nördlich beim Surfclub, wo der Strand bewacht war und Flaggen anzeigten, wo man gefahrlos schwimmen konnte. Die Eltern, die sich weiter den Strand hinunter orientierten, wichen sofort zurück, wenn sie die Uniformen und das gelbe Band sahen. Sie drehten um und gingen mit ihren Kühltaschen und Handtüchern in Richtung Surfclub. Den Kindern werden sie irgendein Märchen aufgetischt haben. Niemand wollte sich den Tag damit verderben, zu nahe heranzukommen oder gar herauszufinden, was da eigentlich passiert war. Das würden sie aus den Sechs-Uhr-Nachrichten noch früh genug erfahren oder spätestens beim Frühstück aus der Zeitung. Keiner dieser Mütter und Väter hatte Lust, die unangenehmen Fragen zu beantworten, die ihre Kinder zweifellos stellen würden. Nicht an so einem herrlichen Tag und schon gar nicht so kurz vor Weihnachten.
    Bereits zu Mittag muß es über dreißig Grad heiß gewesen sein. Die uniformierten Polizisten zogen ihre Jacken aus und rollten die Ärmel hoch. Die Kriminalbeamten lockerten ihre Krawatten. Niemand hatte an Sonnenschutzmittel gedacht, die staatliche Kampagne gegen Hautkrebs, »Slip Slop Slap«, gab es noch nicht. Die ernsten Gesichter der Polizisten und ihre Nacken nahmen allmählich die Farbe von gekochtem Hummer an.
    Pete Marshall war es, der prophezeite, daß die Polizei nichts finden würde. Pete war zu uns rübergekommen, aber noch immer sah er todernst aus. Lucy, so sagte er, sei gar nicht hier ermordet worden, ihre Leiche wurde nur hier angespült. Er wies uns auf die Lage des Körpers zwischen dem Treibholz an der Flutmarke hin. »Habt ihr das nicht gesehen?«, fragte er. »Wie ihr Arm im Sand vergraben war?« Wonach die Polizei suchen sollte, war der Ort, an dem Lucy überfallen worden war. Wir lauschten ihm mit einigem Respekt und nickten nachdenklich. Vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben fand sich Pete Marshall in der Rolle des Experten.
    Wie sich herausstellte, lag er damit goldrichtig. Die Polizei nahm viele Proben in Plastiksäcken mit. Doch die forensische Untersuchung ergab nichts Verdächtigeres als Abfall, der von koreanischen Fischerbooten stammte, und einen Teil einer karierten Wolldecke, die im Salzwasser verrottet war. Sie fanden auch Überreste einer bislang nicht identifizierten Quallenart.
    Wir alle wurden von der Polizei vernommen, hatten aber nichts zu der Untersuchung beizutragen. Wir waren auf diesem Gebiet so unerfahren wie sie. Nur Roy Moynahans Aussage, daß er Lucy noch am Nachmittag des Vortags gesehen hatte, schien von Belang zu sein. Ein junger Polizist mit stoppeligen Wangen und einem dünnen Schnurrbart schrieb mit, was Roy zu sagen hatte, und bat ihn um seine Adresse und Telefonnummer. Doch hat man Roys Beobachtung später in einem größeren Zusammenhang offenbar für unwichtig gehalten, denn man kam nie mehr auf ihn zurück.
    Die Polizei mußte schnell arbeiten, denn alles Absperrband der Welt würde das Meer nicht davon abhalten, sich wieder des Strands zu bemächtigen. Tatsächlich waren die Wellen nur noch ein paar Meter davon entfernt, Lucys Leichnam zurückzuholen, als die beiden Sanitäter sich endlich wieder nützlich machten und Lucy vorsichtig in einen Leichensack packten und auf die Bahre legten. Auf dieser verließ Lucy Asher schließlich den Strand.
    Wir sahen ihnen zu, wie sie sie wegtrugen. Selbst mit zwei Polizisten an beiden Enden der Bahre hatten sie Schwierigkeiten, sie gerade zu halten, als sie die erste Düne hochgingen. Wir waren sicher, sie würden sie fallen lassen. Irgendwie konnten sie das verhindern. Als sie an den Anfang des Holzstegs kamen, wurde es einfacher, und schon bald waren sie nicht mehr zu sehen.
    Wir blieben allein am Strand zurück. Alles sah aus wie immer, unser ganzes Leben lang. Der Strand war uns so vertraut wie unser Zuhause, doch wir spürten, daß sich etwas verändert hatte, wie ein kaum merkliches Drehen des Windes. Beklommen starrten wir in den wolkenlos blauen Himmel. Wir schauten den Strand entlang, in der Hoffnung, genau bestimmen zu können, was sich verändert hatte. Die Hitze ließ die Luft flimmern.
    Plötzlich wußten wir nicht mehr, was wir sagen oder tun sollten. Eine Zeitlang gingen wir ziellos umher, schauten auf den Boden, eine Imitation der Polizei. Wir phantasierten über einen entscheidenden Hinweis, der eben erst angespült worden wäre, aber natürlich fanden wir nichts. Wir wirbelten mit den Füßen den Sand hoch und
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