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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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Mutter. Der Rausch der Montagsdemonstrationen, die Aufregung der herannahenden großen Veränderungen schuf vor der
     staatlichen erst einmal ihre familiäre Einheit. Dirk Enke zog wieder zu Hause ein, zur Silberhochzeit gingen sie auf Fahrradtour
     am Rhein bei Koblenz.
    Die Enkes gehörten zu denen, die die Wiedervereinigung ohne Skepsis begrüßten. Der Vater wusste den größten Teil seiner Familie
     auf der westlichen Seite der Grenze. »Mein Gefühl war: endlich!« Die Jungen zwischen den Wäschestangen waren bei der Wende
     zwölf, dreizehn. Sie sind die letzte Generation, die bewusst noch beide deutsche Staaten erlebt hat, die erste, die in beiden
     Staaten erwachsen wurde. Er könne sich noch erinnern, wie Robert und er mit ihrer Carl-Zeiss-Jugendelf zu Ehren von DDR-Staatspräsident
     Erich Honecker bei einer Parade den Löbdergraben rauf- und runtermarschieren mussten, sagt Andy Meyer, »und was wir toll fanden,
     war, dass es nachher Essensmarken für Bockwürste gab«. Ähnlich beiläufig nahmen sie die neue Zeit zur Kenntnis. Sie spielten
     einfach weiter, über die Veränderungen hinweg. Sie nahmen sich nicht einmal eine Halbzeitpause für die Wiedervereinigung.
     »Einschneidend war daran für uns Kinder nichts«, sagt Andy. |23| Er lacht, etwas fällt ihm ein. »Das Fußballtraining lief doch weiter.«
    In Lobeda, dem einstigen sozialistischen Traum vom
Schöner Wohnen
, zeigte sich nun allerdings ein neues Proletariat. Damit mussten sich die Kinder sehr wohl arrangieren. Türken aus Westdeutschland
     gingen mit Teppichen hausieren, im Glauben, die Ossis marktwirtschaftlich übers Ohr hauen zu können. Jugendliche aus der Trabantenstadt
     schlossen sich auf einmal zu Banden zusammen und nannten sich rechtsradikal.
    »Lass niemanden herein«, mahnte die Mutter den Sohn, der nach der Schule regelmäßig alleine zu Hause war, weil beide Eltern
     arbeiteten, sie als Lehrerin für Russisch und Sport, der Vater als Psychotherapeut an der Städtischen Klinik.
    Vorsichtig machte Robert die Tür auf, als es klingelte. Der Großonkel Rudi, Universitätsprofessor für Latein, kam zu Besuch.
    »Guten Tag, sind die Eltern zu Hause?«
    Der Junge sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Du erkennst mich nicht, oder? Ich bin dein Großonkel Rudi.«
    »Das kann ja jeder sagen«, rief Robert, schob den verdutzten Professor aus der Tür und knallte sie zu.
    Ein anderes Mal lauerten ihm die rechten Halbstarken auf dem Nachhauseweg von der Schule auf. Sie packten ihn, sie schubsten
     ihn. Bevor sie ihn schlugen, erkannte ihn einer. »Hört doch auf, das ist doch Robert Enke.« Er war zwölf. Er war offensichtlich
     schon berühmt als der Torwart. Sie ließen ihn gehen.
    Doch die Angst wich nicht. Er sehnte sich nach einer Schutzhaut: Er flehte die Mutter an, sie solle ihm eine Bomberjacke kaufen.
     Darin würden die Rechten ihn fälschlicherweise für einen der Ihren halten und in Ruhe lassen. »Ich war zunächst entsetzt,
     dass er denen so nachgeben wollte«, sagt die Mutter, »aber, okay, dachte ich, wenn er dann keine Angst mehr hat. Er trug die
     Jacke dann auch nur ein paar Wochen.«
    Als im vereinten Deutschland die erste Desillusionierung einkehrte, verlor die Wiedervereinigung 1994 auch ihre Kraft, die
     Ehe der Enkes zusammenzuhalten.
    |24| Die Familie saß sonntags im Wohnzimmer, als der Vater innerlich Anlauf nahm.
    »Ich muss euch etwas sagen.«
    Die Mutter wusste es schon. Die andere Frau in seinem Leben war nie ganz verschwunden.
    »Gisela und ich trennen uns. Ich ziehe aus.«
    Robert sprang vom Sofa auf und rannte aus der Tür.
    »Gunnar, lauf, hol den Jungen zurück!«, rief die Mutter. Der Bruder fand ihn auf der Straße. Er weigerte sich zu reden.
     
    Niemand sollte ihm etwas anmerken. Er hatte sich angewöhnt, Traurigkeit mit sich selbst auszumachen.
    Den drei Freunden erschien er unverdrossen als ihr Sonnenschein. »Der Enkus warf ein Glas Wasser um, und alle wurden nass,
     nur er nicht, so war es doch immer«, sagt Andy. Die Lehrerin erwischte Robert Enke während einer Biologiearbeit beim Abschreiben.
     Er bekam eine Sechs. Aber als die Zeugnisse verteilt wurden, stand bei ihm in Biologie ein Befriedigend. Er war auffallend
     hilfsbereit, besonnen und ein begabter Torwart, diese Kombination stimmte seine Lehrer offensichtlich milde.
    Er wusste, er kam in der Schule ohne großen Aufwand ganz gut durch, und strebte nicht nach mehr.
    Die Freunde trafen sich nun oft bei Mario Kanopa und Torsten
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