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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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augenblicklich Carl Zeiss anschließen. Es war Robert Enke.
    In jeder Sportlerbiografie findet sich ein Moment, bei dem die einen sagen: Was für ein Zufall! Und die anderen: Das also
     nennt man Schicksal. Muhammad Ali wurde mit Zwölf sein
Swinn
-Fahrrad gestohlen, und der Polizist, der seine Anzeige aufnahm, riet ihm, statt zu heulen doch Boxer zu werden. In der |20| D-Jugend des FC Carl Zeiss Jena, in der Robert Enke mittlerweile einen passablen Offensivspieler gab, wurde der Vater von
     Thomas, dem Torhüter, beruflich nach Moskau versetzt. Die brauchten einen neuen Torwart. »Der Trainer hatte keine Idee«, sagt
     Andy Meyer, »also musste jeder mal zur Probe ins Tor. Bei mir hatte sich das Thema schnell erledigt. Unser Glückskind wurde
     zweimal angeschossen und war fortan die Nummer eins.«
    Robert Enke (links) zu Fasching. [2]
    Ohne zu wissen wie, machte er alles richtig, der kräftige Absprung, die Handhaltung mit den gespreizten Daumen beim Fangen,
     die Entscheidung, die eine Flanke aus dem Himmel zu holen und sich bei der nächsten nicht daran zu wagen.
    Er entdeckte ein neues, ein betörendes Gefühl. Wenn er flog, wenn er den Druck des hart geschossenen Balls in seinen Händen
     spürte, dann wusste er, wie sich Glück anfühlt.
    Wobei er doch, ehrlich gesagt, »die meiste Zeit gar nichts tat«, sagt sein Vater. »Carl Zeiss war in den Kindermannschaften
     so überlegen, dass der Torwart sich langweilte. Aber ihm hat es gepasst.« Ein sanftes Lächeln, für Sekunden frei von Schmerz, |21| entwischt dem Vater bei dieser Erinnerung. »Da musste er nicht so viel laufen.«
    Dirk Enke hat dasselbe Lächeln wie sein Sohn. Ungewöhnlich langsam, als wolle es sich vornehm zurückhalten, breitet es sich
     im Gesicht aus. Der Vater sagt, er habe Angst vor dem Moment gehabt, für die Biografie über Robert zu sprechen; davor, dass
     die Erinnerungen zu stark werden. Deshalb lässt er in seiner Wohnung am Marktplatz, hoch über den Dächern von Jena, erst einmal
     die Dias sprechen. Jemand hat ihm kürzlich – Dirk Enke sagt »danach« – einen Projektor geschenkt, damit er die alten DDR-Dias
     aus Roberts Kindheit noch einmal anschauen kann. Die drei Kinder beim Zelturlaub an der Ostsee, Anja, Gunnar und Robert, der
     Nachzügler, der neun Jahre nach der Schwester, sieben Jahre nach dem Bruder zur Welt kam. »Die Stellplatzgenehmigung für ein
     Zelt bekam man in der DDR eigentlich erst ab vier Kindern«, sagt der Vater, aber es gab Dinge, die seien auch in einem Überwachungsstaat
     nicht so ganz genau überwacht worden. »Wir haben einfach immer vier angegeben, keiner hat nachgezählt.« Der Projektor klickt
     weiter, Robert mit seiner dritten Oma. »Meine richtige Oma« nannte er Frau Käthe, eine Rentnerin von nebenan, die oft auf
     ihn aufpasste, deren Nähe er noch als Jugendlicher suchte. Als Kind zählte er immer auf: »Ich habe eine dicke Oma, eine dünne
     Oma und eine richtige Oma.«
    Irgendwann sind die Dias zu Ende. Irgendwann hatten auch im Leben des Glückskindes die schönen Bilder eine Pause.
    Er war elf, als er von der Schule in die Liselotte-Herrmann-Straße zurückkam. Der Vater stand mit einer Tasche in der Hand
     vor der Tür.
    »Papi, wo willst du denn hin?«
    Dirk Enke schaffte es nicht zu antworten. Er ging wortlos, mit wässrigen Augen zum Auto. Der Sohn lief zu seiner Mutter in
     die Wohnung.
    »Was ist denn passiert?«
    Die Mutter schluckte. »Wir haben uns ein wenig gestritten. Dein Vater zieht erst einmal auf die Hütte nach Cospeda.«
    Es gab eine neue Frau im Leben des Vaters.
    |22| Robert fragte die Mutter jeden Tag, wochenlang: »Mama, wie geht es dir denn?« Gisela Enke konnte in seinem Gesicht sehen,
     wie er sich vor einer traurigen Antwort fürchtete.
    Doch die Eltern wollten nicht glauben, dass ihre Ehe zu Ende ging. Sie sahen sich weiter, »und wir haben das nicht nur wegen
     der Kinder gemacht«, sagt die Mutter, »ich war dreißig Jahre mit Dirk zusammen, wir hatten uns als Jugendliche kennengelernt«.
     Im Sommer fuhren sie gemeinsam an den Balaton in den Urlaub. Robert saß auf dem Rücksitz und sagte laut, aber beiläufig, als
     ob er zu niemandem Bestimmten rede, »na, wenn es zur Versöhnung beiträgt, fahren wir halt an den Balaton in den Urlaub«. Mehr
     als glücklich klang er angestrengt hoffnungsvoll.
     
    Wieder geeint wurde die Familie dann überraschend von einer größeren Vereinigung. »Die Wende hat uns noch einmal zusammengeschmiedet«,
     sagt die
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