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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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niemandem davon erzählt, dass er einfach einmal auf Teresa am Bahnhof warten würde. Seine Gefühle, seine wichtigen
     Entscheidungen machte er alleine mit sich aus. Noch wochenlang, während er und Teresa sich näherkamen, erzählte er seinen
     Freunden nichts davon. Es überraschte sie allerdings nicht, dass die beiden dann ein Paar wurden, dass Robert Enke auch das
     schaffte. »Wir unterhalten uns noch oft darüber«, sagt einer der Jugendfreunde, Torsten Ziegner, »dass der Robert ein |18| richtiges Sonnenkind war, dem alles gelang, den nichts aus der Bahn werfen konnte, der immer gut gelaunt war.« Torsten gibt
     dem Wasserglas vor ihm eine Drehung, um die kurze Stille nicht zu groß werden zu lassen. Und jeder für sich im Wohnzimmer
     von Andy Meyer, einem weiteren Freund von damals, denkt augenblicklich dasselbe. Wie seltsam es klingt, an Robert Enke heute
     als Sonnenkind zu denken.
    Das Tageslicht, vom Schnee reflektiert und greller gestimmt, fällt durch das Fenster des Einfamilienhauses in Jena-Zwätzen,
     einem Neubaugebiet draußen vor der Stadt. Es ist 13 Uhr, Andy ist gerade aufgestanden. Ein Rest Müdigkeit liegt noch in seinen
     Augen. Er ist Krankenpfleger und hatte Nachtschicht. Bei Torsten sitzt die Jeans locker, sportlich-leger, die Jacke mit kleinen
     Karos und Stehkragen würde den Rockstars von
Oasis
gefallen. Er ist Fußballprofi, mit 32 wieder beim FC Carl Zeiss Jena in der dritten Liga, ein schmaler, drahtiger Athlet.
     Man sieht Andy und Torsten, Anfang 30, und spürt schnell die Wärme, den Humor der Jugend; von damals. »Wir haben gleich gemerkt,
     dass wir dieselben Interessen haben; das heißt vor allem dieselben Desinteressen«, sagt Torsten. »Mehr als alles andere«,
     sagt Andy, »haben wir gelacht.«
    Immer zu viert waren sie damals, Mario Kanopa, den es als Lehrer an die holländische Grenze verschlagen hat, Torsten Ziegner,
     Andy Meyer und Robert Enke, den sie Enkus nannten, den sie weiter Enkus nennen, weil er für sie der von damals geblieben ist.
     »Aber doch«, redet Andy schließlich tapfer gegen die Stille an, »eigentlich denke ich das noch heute, trotz allem: Der Enkus
     war das Glückskind.«
     
    Er wuchs zwischen den Wäschestangen auf. Sie trafen sich nachmittags im Innenhof,
über die Stange
hieß das Spiel der Siedlung. Einer stand zwischen zwei Wäschestangen im Tor, lupfte den Ball über die gegenüberliegende Stange,
     auf der anderen Seite wartete der Spielpartner, um den Ball volley auf das Tor zu schießen.
    Von Ferne ist seine Heimat, die Trabantenstadt Lobeda, noch heute das Erste, was man von Jena sieht. 40   000 Menschen sollten |19| hier wohnen, mehr als ein Drittel der Einwohner Jenas. 17   000 sind geblieben. Zwischen den 15-stöckigen Plattenbauten an den kommunistischen Boulevards stehen in den Seitenstraßen
     etliche niedrigere Mietblöcke, die sich von denen in Frankfurt-Schwanheim oder Dortmund-Nordstadt nicht unterscheiden. Während
     die beiden deutschen Staaten sich permanent an ihre Unterschiede erinnerten, ähnelte sich in den Achtzigern zwischen diesen
     Mietblöcken das Jungenleben in Ost und West. Wäschestangen regierten die Welt von Jena-Lobeda bis Frankfurt-Schwanheim.
    Von den Erwachsenensorgen, sagt Andy Meyer, hätten sie erst nach dem Zusammenbruch der DDR erfahren; vielleicht hätten sie
     sie als Kinder aber auch einfach langweilig gefunden und deshalb ignoriert. Dass Andys Vater nicht Lehrer werden durfte, weil
     er nicht in der Partei war; dass Roberts Vater Anfang der Sechziger als 400-Meter-Hürdenläufer aus der Leistungssportförderung
     flog, weil er Postkarten von seinem in den Westen geflüchteten Bruder erhielt.
    Sie unterbrachen das Fußballspielen im Innenhof nur für besondere Anlässe – wenn sie zum Fußballtraining mussten. Andy Meyer,
     der ein paar Blöcke weiter wohnte, war früh vom großen Klub der Stadt, dem FC Carl Zeiss, gesichtet worden. Er war sieben
     Jahre alt gewesen und es gewohnt, mit Carl Zeiss immer zu gewinnen. Deshalb erinnert sich Andy besonders an die eine Niederlage.
     Auf dem holprigen Sportplatz Am Jenzig, zu Füßen des Jenaer Hausbergs, verlor der FC Carl Zeiss 1:3 gegen den SV Jenapharm.
     Große Klubs haben ihre Art, sich solche Niederlagen nicht gefallen zu lassen, selbst in Kinderteams: Helmut Müller, der Trainer
     von Carl Zeiss, ging sofort nach dem Spiel zu den Eltern des Stürmers von Jenapharm, der alle drei Tore erzielt hatte, und
     sagte ihnen, der Sohn solle sich doch
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