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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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seit drei Monaten krank. Bei seiner ersten Depression hatte er zu diesem Zeitpunkt abends mit Jörg schon wieder
     Komödien angesehen und gemerkt: Er spürte gelegentlich wieder Freude. Fünf Jahre später fühlte er immer nur dasselbe: dass
     es schlimmer wurde.
    Ein Klang war schon seit Wochen aus ihrem Bauernhaus in Empede verschwunden. Die Fröhlichkeit der Xylofone, der enthusiastische
     Marsch der Trommeln, wenn sein Handy klingelte und eine rauchige, mächtige Frauenstimme sang: »Como la rabia de amar, como
     un asalto de felicidad.« Er hatte, in guten Zeiten, das Lied
Alegría
des
Cirque du Soleil
zu seinem Klingelton |411| gemacht, die Strophe: »Wie die Wut des Liebens, wie ein Überfall des Glücks.« Nun hatte er das Handy durchgehend auf lautlos
     gestellt.
    Es blinkte wieder einmal in der Küche. Er nahm praktisch keine Anrufe mehr entgegen, das Blinken des Telefons machte ihm Angst,
     was sollte er denn sagen, was wollte denn schon wieder jemand von ihm?
    »Wer ist es denn?«, fragte ihn Teresa. Wenn sie ihn wenigstens wieder dazu brachte, ans Telefon zu gehen, würde ihm das vielleicht
     ein wenig Zufriedenheit verschaffen. Er sah auf das Display.
    »Der Alex Bade.«
    »Er hat es doch schon fünfmal versucht. Geh doch bitte hin, Robbi.«
    Er überwand sich.
    Alex Bade, der Torwarttrainer des 1. FC Köln, wollte hören, ob es eine Möglichkeit gebe, Enke nächste Saison zum FC zu locken.
     Robert Enkes Vertrag in Hannover endete in acht Monaten, Ende Juni 2010.
    »Ich kann noch gar nicht sagen, was ich machen werde«, antwortete er Bade. Und das Gespräch endete, kaum dass es begonnen
     hatte, weil Robert Enke fast nichts sagte.
    Aber danach lag das Handy vor ihm, und er sammelte seinen Mut.
    »Ich müsste auch den Lothar Bisinger anrufen.« An seinen Torwarthandschuhen störte ihn eine riesige Winzigkeit. Wenn er den
     Klettverschluss am Handgelenk schloss, bildete sich auf der Handschuhoberseite eine ganz kleine Falte.
    »Ruf ihn doch an«, ermunterte ihn Teresa.
    Er schilderte Bisinger das Problem, und wie immer sagte sein Mann für die Handschuhe, kein Problem, das regle er sofort.
    Das Gespräch hatte keine Minute gedauert.
    »Wie gut, dass ich das erledigt habe«, sagte Robert Enke in der Küche. »Das hat mich schon seit Wochen belastet.«
    Aus solchen Triumphen des Alltags schöpfte Teresa Hoffnung und Courage für ganze Tage. Etwas Positives gab es doch. Man musste
     nur in den kleinsten Details danach suchen.
    |412| Sie überredete ihn, sich die Klinik in Bad Zwischenahn anzusehen. »Einfach nur einmal schauen«, sagte sie.
    Doktor Ingwersen gab ihnen einen Termin für Donnerstagnachmittag, den 6. November.
    Er sagte sofort zu Teresa, da könne er nicht, er habe bis mittags Training, sie kämen niemals rechtzeitig nach Bad Zwischenahn.
     Es waren 150 Kilometer ins Ammerland, wo die stillen Landstraßen und der weite Horizont eher Radwanderer als eilige Autofahrer
     anzogen.
    »Robbi, sag dem Trainer, du müsstest ein wenig früher gehen, wir müssten mit Leila zu einer Spezialuntersuchung, deine Frau
     wolle da nicht alleine hin.«
    Die Nervenklinik in Bad Zwischenahn war wie ihr eigenes Haus ein umgebauter Bauernhof aus Klinkerstein. Es gab Vollwertküche,
     drahtloses Internet und einen privaten Zugang zum Zwischenahner Meer. Wer nicht ganz genau hinschaute, konnte glauben, in
     einem Landhotel der gehobenen Klasse gelandet zu sein. Robert Enke ließ sich alles zeigen, alles erklären, ohne eine Frage
     zu stellen. Er werde darüber nachdenken, sagte er Doktor Ingwersen zum Abschied.
    Als sie wieder ins Auto einstiegen, sagte er, noch ehe er sich anschnallte: »Da gehe ich nicht hin!«
    »Jetzt lass es doch erst einmal auf dich wirken.«
    »Ich bin Nationaltorwart, ich kann doch nicht in eine Klinik gehen.«
    »Robbi, in dieser Klinik sitzen Rechtsanwälte, Uniprofessoren, Unternehmer! Meinst du, für die war es einfacher, hierherzukommen?
     Aber sie haben es getan, weil es manchmal die einzige Lösung ist.«
    »Das ist etwas ganz anderes als mein Fall. Wenn es bei denen rauskommt, ist es nicht so schlimm.«
    »Ein Rechtsanwalt oder ein Hausarzt, bei dem es sich im Ort herumspricht: ›Der ist depressiv‹, hat genauso ein existenzielles
     Problem wie du. Und die schaffen es auch, ein Leben danach zu finden!«
    Ihre Diskussion endete im Schweigen. Wie immer, wenn sich ein Streit zwischen ihnen anbahnte, hörten sie irgendwann einfach |413| auf und versuchten, die Auseinandersetzung zu
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