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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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kamen. Der Kronleuchter in der Diele brannte, Sabine und Ines hatten auf
     Leila aufgepasst. Sabines Kinder machten am langen Esstisch Hausaufgaben. Sie öffneten die Pappkartons, und der Duft von heißem
     Käse stieg auf. Es gab kein heißeres Thema als das Spiel. Es war allerdings schwierig, darüber zu reden, weil sie immer aufpassen
     mussten, das zweite Hamburger Tor nicht zu erwähnen. Er machte keine Anstalten zu vertuschen, dass er dem Gespräch nicht folgte.
    »Was?«, fuhr er jedes Mal auf, wenn ihn jemand ansprach.
    Allzu lang wollten sie auch nicht mehr bleiben, sagte Sabine, wegen der Kinder. Als sich die Wilkes verabschiedeten, umarmte
     Robert Enke die Frauen. Dann nahm er die Gesichter der Kinder in die Hände und küsste sie auf die Stirn.
    Im Fernsehen lief
Titanic
.
    »Gehst du gar nicht ins Bett?«, fragte Teresa erstaunt.
    »Ich schau noch ein bisschen«, sagte er. Er hatte sich auf dem Ledersofa ausgestreckt, ein Kissen unter den Kopf geschoben.
     Er sah entspannt aus. So war er früher oft auf dem Sofa gelegen. Als er abends nach dem harten Training von jener Trägheit
     ausgefüllt worden war, die glücklich macht.
    Draußen schloss sich die Gartentüre leicht, mit einem Griff. »Hast du das auch gesehen?«, sagte Sabine sofort dahinter zu
     ihrem Mann. »Wie Robbi die Kinder geküsst hat. Das hat er noch nie gemacht! Und wie er mich gedrückt hat. Viel intensiver
     als sonst.«
    »Vielleicht wollte er sich für die Hilfe bedanken.«
    |418|
Titanic
dauerte über drei Stunden. Er sah sich den kompletten Spielfilm an, Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen.
     Er hatte seit Monaten abends keinen Film mehr zu Ende gesehen. Halb eins war vorbei, als er schlafen ging. Zuletzt war er
     oft schon um zehn im Bett gewesen.
    Am nächsten Morgen entschied Teresa, ihn alleine zum Training fahren zu lassen.
    Es gab keine Regeln beim Ausbalancieren zwischen Kontrolle und Selbstständigkeit, sie musste ihrem Gefühl vertrauen. In der
     vergangenen Woche war sie fast jeden Tag mit zum Training gefahren, gestern hatte er das Spiel durchgestanden. Also schien
     heute ein guter Tag, ihn wieder einmal allein fahren zu lassen. Wieder ein Stück Normalität zurückzuerobern.
    Im Training war Auslaufen angesagt. Er ließ sich mit Hanno Balitsch auf der Runde um den Maschsee weit hinter die anderen
     zurückfallen. Hanno machte auf den ersten Metern ein paar Bemerkungen über das Spiel vom Vortag. Er bekam karge Antworten
     und verstand es als Hinweis. Robert hatte keine Lust zu reden. Hanno dachte sich, vielleicht war dieser Zustand der Gleichgültigkeit
     schon ein Fortschritt. Seit dem Spiel in Köln hatte Robert immerhin keine Selbstzweifel mehr geäußert.
    Robert Enke verabschiedete sich kurz angebunden und unpersönlich in der Kabine, niemand erwartete etwas anderes. Constant
     Djakpa von der Elfenbeinküste war ein halbes Jahr im Verein. Er hatte Michael Tarnats Platz in der Kabine neben Robert übernommen.
     Er musste davon ausgehen, dass der Torwart nie redete. Er hatte Robert Enke nie anders erlebt.
    Es hatte zu regnen begonnen, als Robert zu Hause ankam. Die Tropfen prasselten gegen die Fensterscheiben, und Teresa wurde
     unruhig. Wie sollte sie bei diesem Wetter den Nachmittag mit ihm herumkriegen?
    »Komm, lass uns in die Stadt fahren«, sagte sie. Und wenn wir nur zu IKEA gehen, dachte sie.
    Sie nahmen Leila mit. Teresa steuerte das Auto tatsächlich erst einmal Richtung IKEA, sie waren noch immer unschlüssig, was
     sie eigentlich genau machen wollten. Die Scheibenwischer |419| gingen unaufhörlich. Als sie schon fast am Möbelhaus angekommen waren, sah Teresa in der Nähe des alten Weltausstellungsgeländes
     die Plakate.
    »Oder wollen wir in die Ausstellung gehen?«
    Echte Körper
stand auf den Plakaten.
Nur wenige Tage
. Neben der Schrift war eine Leiche abgebildet. Teresa hatte von der Ausstellung im britischen Pavillon gelesen. Konservierte
     Leichen standen in Vitrinen, um den Besuchern den Menschen beziehungsweise den menschlichen Verfall näherzubringen.
    Bevor Teresa vor dem Pavillon anhalten konnte, sagte er: »Ist geschlossen.«
    »Das weißt du doch gar nicht.«
    »Montags haben die Museen zu.«
    »Geh doch bitte erst einmal schauen.«
    Er sprintete durch den Regen. »Es ist offen. Aber ich habe kein Bargeld dabei.«
    »Dann gehen wir zum Geldautomaten.«
    Sie wunderte sich nicht, dass er sich mit allen Tricks dagegen wehrte, in die Ausstellung zu gehen. In seiner
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