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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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Strafraum, Robert Enke warf sich nach dem Schuss von Marcell Jansen und ahnte schon,
     da hatte kein Torwart eine Chance.
    Hannover versuchte, sich dem reißenden Hamburger Spielfluss anzupassen, wie ein Wellenbrecher zertrennte Hanno Balitsch im
     Mittelfeld einige Male das Hamburger Passspiel.
    Zu Hause in Nürnberg saß Bundestorwarttrainer Andreas Köpke vor dem Fernseher. Robert kam ihm erstaunlich teilnahmslos vor.
     Er redete, soweit man das im Fernsehen sehen konnte, nicht mit seinen Abwehrspielern. Was immer auch auf dem Platz passierte,
     sein Gesicht blieb emotionslos, sogar als Hannover das 1:1 erzielte.
    Er hatte am Abend vor dem Spiel wieder Psychopharmaka genommen, die ihn ruhigstellten.
    Der Schiedsrichter pfiff Freistoß für Hamburg, 25 Meter vor dem Tor, halblinks, und Hannovers Spieler wussten, jetzt wurde
     es heiß. Trochowski gab diesen Freistößen eine schwer berechenbare Flugkurve. Trochowski nahm Anlauf. Robert Enke stand vier
     Meter vor dem Tor, die perfekte Position. Hannovers Abwehr stand acht Meter vor dem Tor, wie einstudiert. Trochowski trat
     den Ball genau in das Niemandsland zwischen Torwart und Abwehr. Robert Enke sollte zwei Schritte nach vorne rennen, die Hamburger
     Spieler rannten ihm schon entgegen, um vor ihm mit dem Kopf an die hohe Flanke zu kommen, er hatte nur eine Viertelsekunde
     Zeit zu reagieren, es war ein höchst schwieriger Freistoß für einen Torwart, und die Viertelsekunde, sich zu entscheiden,
     hatte er schon verpasst. Robert Enke hatte sich nicht von seinem Fleck gerührt. Der Kopfball von Eljero Elia flog ins Tor.
    Kurz wischte Robert Enke verärgert mit der Hand durch die Luft, und dann war sein Gesicht wieder regungslos. Hanno Balitsch
     dachte sich, »hoffentlich wirft ihn das Tor jetzt nicht völlig aus der Bahn«.
    Teresa versuchte, die Ruhe, oder was davon noch übrig war, |416| zu bewahren, aber nach 55 Spielminuten hielt sie es nicht mehr aus. »Ich gehe raus«, sagte sie zu Jörg.
    Sie lief vor der Haupttribüne auf und ab. Den Zigarettenrauch blies sie so heftig aus, als müssten die Kringel weit fliegen.
     Außer ihr war kein Mensch vor dem Stadion. Sie spürte eine große Stille. Das Geschrei, das aus dem Stadion herausdrang, schien
     von weither zu kommen. Doch sie schaffte es nicht sich einzureden, der Lärm habe nichts mit ihr zu tun.
    Man weiß, was in einem Fußballspiel passiert, wenn man draußen steht und nur den Zuschauerreaktionen folgt. Die Pfiffe, wenn
     der Gegner den Ball lange in der Defensive passt, das Aufbranden der Entrüstung, wenn einer des Heimteams gefoult wurde, der
     Jubel, der jäh stirbt, wenn der Torwart doch noch einen Ball gehalten hat, die Stille, wenn der Schütze am Elfmeterpunkt steht.
     Teresa hörte kein lang gezogenes, unterdrücktes Leiern. So wusste sie zumindest, dass Robert kein weiteres Tor kassiert hatte.
    Kurz bevor das Spiel nach ihren Schätzungen vorbei sein musste, ging sie zurück ins Stadion. Eine Hostess schenkte ihr ein
     Lächeln, als verstünde sie ganz genau, was Teresa durchmachte.
    Sie war zu früh dran. Sie spielten noch. Ein neuer Schrei erhob sich. Empörung und Glück, wild vermischt in einem grellen
     Klang. Es gab Elfmeter für Hannover.
    Jirˇí Štajner traf zum 2:2, und das Spiel war aus.
    Jörg umarmte Teresa und brauchte lange, bis er sie wieder loslassen konnte. Robert hatte noch zwei sehenswerte Reflexparaden
     in der zweiten Halbzeit gezeigt.
    »Der Freistoß zum 1:2 war der schwierigste Ball für einen Torwart, mach dir da nichts draus, der Rest war sehr gut«, sagte
     Jörg, als sie sich später in einer Stadionlounge trafen.
    »Ja, ja.« Robert schaute in eine andere Richtung.
    Auf einem Stadionparkplatz verabschiedete er sich von Jörg. Eine kurze Umarmung, das Gesicht zeigte keine besondere Regung
     mehr, ein kurzes Wort: »Mach’s gut.«
    Auf der Heimfahrt nach Köln, zwei Stunden auf der Autobahn, dachte Jörg Neblung, »es war wieder ein Schritt nach |417| vorne«. Doch es war eher ein mechanischer als ein wirklich hoffnungsvoller Gedanke. Die letzten Monate hatten nicht nur Robert,
     sondern sie alle erschöpft zurückgelassen.
     
    Robert Enke stieg zu Uli Wilke ins Auto. Sie waren zu viert im Wagen. Uli, Jürgen und Teresa hatten vom Zuschauen und Wegschauen
     im Stadion mindestens genauso wie Robert das Gefühl, für heute genug getan zu haben.
    »Lasst uns ein paar Pizzas holen, anstatt noch etwas zu kochen.«
    Die Hunde schlugen an, als sie durch das Gartentor
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