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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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ein Mitarbeiter seiner Agentur, mit Teresa zum Fußball.
     Eine Stunde vor Anpfiff standen sie im Stadion und hatten keine Ahnung, ob Robert Enke gleich auf den Rasen laufen |404| würde oder ob ihn gerade in der Kabine die Angst überwältigte.
    »Ich brauche erst einmal einen Sekt«, sagte Teresa.
    Er erschien zum Aufwärmen auf dem Rasen. Er wirkte konzentriert und kräftig in seinem engen schwarzen Trainingsanzug. Sein
     Gesicht war wieder voller geworden, von all den Pizzas für zwei und den Kaubonbons. Wer ihn kannte, wer genau hinsah, wunderte
     sich, warum er manche Schüsse seines Torwarttrainers apathisch passieren ließ.
    Eine Viertelstunde vor Anpfiff kehrten die Mannschaften in die Umkleidekabinen zurück, um die Trikots anzuziehen. Der Trainer
     sprach noch mal ein paar Worte, den Ball in der Abwehr ruhig hin und her passen, lieber noch mal zurück statt zu riskant nach
     vorne. Hannover war unter dem neuen Trainer Andreas Bergmann auf Platz elf der Bundesliga geklettert. Sie waren wieder dort,
     wo sie hingehörten.
    Die Spieler nahmen im Gang vor den Umkleidekabinen Aufstellung. Draußen auf dem Rasen wartete das Spalier der Cheerleaderinnen
     in roten Röckchen auf sie. Der Stadionsprecher hatte das Vereinslied aufgelegt, »en Rio, en Rom, Jläbbisch, Prüm un Habbelrath«
     gebe es FC-Fans, sangen
De Höhner
, die Fans wedelten mit ihren rotweißen Schals dazu, und als es ruhig wurde, marschierte der Schiedsrichter voraus. Robert
     Enke stand als Kapitän direkt hinter ihm. In der rechten Hand trug er seine Torwarthandschuhe, an der linken hielt er einen
     schwarzhaarigen Jungen, der als ein Maskottchen für das Spiel ausgewählt worden war. In dem Moment, als der Schiedsrichter
     sich in Bewegung setzte, als es hinausging, bog Robert Enke ruckartig seinen Kopf nach rechts, als wolle er ihn auf seine
     Schulter legen. Es war dieselbe Bewegung, an der Teresa vor zehn Jahren im Einkaufszentrum in Lissabon erkannt hatte, dass
     die Angst in ihm war.
    Die Kapitäne mussten zur Seitenwahl in den Mittelkreis.
    »Weiß oder gelb, Herr Enke?«, fragte der Schiedsrichter.
    »Weiß.«
    Der Schiedsrichter warf die Münze in die Luft und fing sie wieder.
    |405| »Weiß!«
    Er durfte entscheiden, auf welcher Seite seine Mannschaft in der ersten Halbzeit spielte. Mannschaften haben ihre Vorlieben,
     manche spielen auswärts lieber zunächst auf der Seite ihrer Fans. Die Mannschaftskapitäne haben sich deshalb lange vor der
     Wahl überlegt, in welcher Spielfeldhälfte sie beginnen möchten. Robert Enke schaute hektisch hinter sich zum einen Tor, schaute
     noch vorne zum anderen Tor, fasste sich an die Nase und sagte: »Ähmmm.«
    Fünf Sekunden überlegte er schon. Schiedsrichter Helmut Fleischer, ein Mann mit unterdrücktem Schalk im Gesicht, sah ihn verwundert
     an.
    »Wir bleiben stehen«, sagte Robert Enke schließlich, was im Fußballjargon hieß, seine Elf würde in der Spielfeldhälfte beginnen,
     in der sie sich gerade den Ball zuschob.
    »Alles klar!«, rief der Schiedsrichter fröhlich.
     
    Helmut Fleischer, Orthopäde bei der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck, pfiff die Partie an, und es begannen zwei völlig verschiedene
     Spiele. 45   000 sahen Robert Enke, der in einer gewöhnlichen Bundesligabegegnung nach irgend so einer Infektion wieder im Tor stand. Teresa
     und Sebastian sahen Robert, der das riskanteste Spiel seiner Karriere begann.
    Zu den Nebenwirkungen der Antidepressiva gehörte es, dass sie die Reaktionen verlangsamten. Wie konnte ein Torwart, der unter
     diesem Medikamenteneinfluss stand, ein Bundesligaspiel bestreiten? Konnte ein Mann, der am Blumenstand von der Frage »drei
     oder sieben Rosen?« überfordert wurde, sich bei einer Flanke auf höchstem Wettkampftempo entscheiden, ob er hinauseilte oder
     nicht? Konnte sich ein Patient, der nicht mehr die Konzentration für komplizierte Sätze aufbrachte, neunzig Spielminuten in
     höchster Alarmbereitschaft halten?
    Der Ball lief vom Anstoß weg durch das Kölner Mittelfeld, kein Hannoveraner kam heran. Nicht einmal eine halbe Minute war
     vorüber, als Lukas Podolski den Ball abrupt aus vierzig Metern steil und flach in den Hannoveraner Strafraum passte. Robert
     Enke rannte dem Ball entgegen.
    |406| 45   000 raunten kurz enttäuscht, weil Enke den Steilpass abgefangen hatte, ohne dass ein Kölner Stürmer auch nur in die Nähe gekommen
     war. Teresa und Sebastian schrien vor Begeisterung.
    Es war für einen Torwart nur eine
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