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In den Tod gejagt

In den Tod gejagt

Titel: In den Tod gejagt
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    I m Bemühen um ein
intellektuelles Aussehen lag ihr blondes Haar sorgfältig an den Kopf gelackt,
um dessen Konturen zu betonen. Das Augen-Make-up hätte sich in einer Diskothek
morgens um drei Uhr hervorragend gemacht, aber jetzt, am Spätnachmittag,
während sich der ganze Sonnenschein durchs Fenster ergoß, wirkte es ein bißchen
gespenstisch. Ich vermutete, daß ihr Hauptproblem in ihrem Alter lag — sie war
höchstens achtzehn — und daß sie verzweifelt bemüht war, wenigstens wie
einundzwanzig auszusehen.
    »Mr. Bloom wird Sie sofort
empfangen, Mr. Holman .« Sie ließ mir ein
ungekünsteltes Lächeln zukommen, das zu der Unschuld ihres Puppengesichts
paßte.
    Ich bedankte mich nachdrücklich
und trat in George Blooms Büro. Er unterzog sich gar nicht erst der
Anstrengung, seinen massigen Leib aus dem Sessel zu hieven, sondern begnügte
sich mit einem Winken seiner rundlichen Hand. George ging auf die Sechzig zu,
erinnerte ich mich, und nach vierzig Jahren Hollywood war er zu einem der
größten unabhängigen Produzenten in der Branche aufgestiegen.
    »Sie haben sich aber verdammt
viel Zeit gelassen, hierherzukommen, Rick«, knurrte er.
    Ich zuckte die Schultern.
»Diese Schnellstraßen! Demnächst werde ich mir mal eine Planierraupe anschaffen .«
    »Maßgebaut, in zwei
Lila-Schattierungen gehalten — das würde mich nicht wundern .« Er schlug heftig mit der Faust auf die Schreibtischplatte. »Sehen Sie sich das
mal an. Ja?«
    Auf den ersten flüchtigen Blick
schienen die beiden Fotos, die vor ihm lagen, keinerlei Ähnlichkeit miteinander
zu haben. Das erste war eine Kopf-und-Schulter-Studie einer bemerkenswert
schönen Frau, deren langes schwarzes Haar aus der hohen Stirn zurückgestrichen
war, so daß es in leichten Wellen über die Schultern fiel. Zwischen dem
sinnlichen Schwung ihrer vollen Unterlippe und den einprägsamen großen,
ausdrucksvollen Augen mit dem beinahe ätherischen Blick bestand ein
faszinierender Kontrast. Das Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor; aber mein
Gedächtnis war nicht in der Lage, mit einem Namen aufzuwarten.
    Das zweite Foto zeigte das
erschöpfte Gesicht einer gut zehn Jahre älteren Frau, die schon seit langem aufgegeben
hatte, dem Dasein irgendwelche Freuden abzugewinnen. Ihr ungekämmtes schlaffes
Haar hing strähnig über die Schultern hinab, und die leeren, mit schweren
Lidern versehenen Augen schienen völlig den Realitäten entrückt zu sein. Tiefe
Linien hatten sich in das Gesicht eingegraben, und die gedunsenen Lippen legten
Zeugnis von ihrer inneren Verzweiflung ab.
    »Das jüngere Gesicht kenne ich
irgendwie«, sagte ich zu Bloom. »Aber die andere gehört in eine
Nervenheilanstalt .«
    »Fleur Falaise.« Sein
Zeigefinger wies zornig auf das erste Bild. »Das hier wurde vor drei Jahren
aufgenommen. Das hier«, er wies auf das zweite Foto, »ist erst vor zwei Tagen
aufgenommen worden. Kurz nachdem sie von einer Klippe gefallen war — oder sich
absichtlich hinabgestürzt hatte .«
    Ich zog mir einen Stuhl heran
und setzte mich. »Davon stand doch nichts in den Zeitungen ?«
    »Stimmt genau, aber nur weil
Arlene vernünftig genug war, mich anzurufen, sobald Fleur vermißt wurde. Und
trotzdem hat es einer dieser verrückten Amateurfotografen geschafft,
aufzukreuzen, als wir sie gerade wieder auf die Klippe hinaufgebracht hatten.
Es hat mich zweihundert Dollar gekostet, das Negativ dieses zweiten Bildes hier
zu bekommen .«
    »War sie schlimm verletzt ?«
    Er schüttelte den Kopf. »Durch
einen völlig unwahrscheinlichen Zufall wurde sie gerettet. Der Felsen fällt
dort, wo sie hinuntersprang, sechzig bis siebzig Meter tief ab, aber ungefähr
sechs Meter weiter unten ist eine Art Vorsprung, nicht mehr als einen guten
halben Meter breit. Fragen Sie mich nicht, wieso sie dort nicht abgeprallt ist,
ich weiß es nicht. Glücklicherweise war sie durch die Wucht des Aufpralls
bewußtlos geworden, so daß sie dort noch lag, als ich mit Arlene oben auf dem
Felsen eintraf .«
    »Arlene ?« fragte ich.
    »Arlene Donner, ihre
Sekretärin.« Mit einer ungeduldigen Handbewegung schob er die Zwischenfrage
beiseite. »Verdammt noch mal, Rick! Fleur ist gerade zweiunddreißig Jahre alt,
aber so, wie sie auf diesem Foto aussieht, könnte sie auf die Sechzig zugehen .«
    »Was hat das für Sie zu
bedeuten ?« fragte ich. »Ich meine, warum brauchen Sie
mich dabei ?«
    Er ließ sich Zeit, die Frage zu
beantworten. Seine rechte Hand streichelte eine ganze Weile
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