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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord
Autoren: Edgar Noske
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noch einmal: Was ist mit dir los?«
    Ich seufzte, erweichte damit aber nur mein eigenes Herz. »Was willst du hören? Die Wahrheit?«
    »Ich bitte darum.«
    »Die ist aber grausam.«
    »Ich werd’s verkraften.«
    »Okay«, sagte ich. »Ich bin kein Beamter mehr, und meine Pensionsansprüche sind verfallen.«
    »Also doch gefeuert.«
    »Wir haben uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt, das ist was anderes. Ich bin weder vogelfrei noch exkommuniziert.«
    Gina lehnte sich wieder zurück. Die letzten Sonnenstrahlen bescherten ihr den Teint einer Indianerin. »Und warum? Was hast du angestellt?«
    Ich stützte mich auf den linken Ellbogen. »Nichts, wofür ich mich schämen müßte, aber eben Dinge, die ein Beamter nicht tun darf.«
    »Und das wäre?«
    »Kein Kommentar.«
    »Dann erzähl mir wenigstens, warum sie dich nicht einfach rausgeschmissen haben.«
    Ich angelte mein Chiantiglas vom Boden, schwenkte es und nahm einen Schluck. Als er unten war, sagte ich: »Mein Oberboß hat ’ne Leiche im Keller, und davon weiß ich. Er hat sogar noch die Auszahlung meiner Überstunden veranlaßt.«
    Gina zeigte sich unerwartet naiv. »Er hat jemand umgebracht?«
    »Sinnbildlich gesprochen.« Ich trank aus. »Da es in ein paar Tagen sowieso in der Zeitung steht, kann ich es dir auch erzählen: Das Schwein hat mit der Firma, die das Präsidium putzt, krumme Geschäfte gemacht. Die Schrubberschwinger haben mehr Quadratmeter in Rechnung gestellt, als das Gebäude Fläche hat, und er hat das jahrelang abgezeichnet. Den Reibach haben sie sich geteilt.«
    »Wieso kommt das in die Zeitung? Weiß denn noch jemand außer dir, daß …«
    »Nein.«
    »Dann hast also du …«
    »Ja.«
    »Du hast ihn verpfiffen, obwohl …«
    »Der Kerl ist ’n Schwein, Gina. Spar dir dein Mitgefühl.«
    »Aber dann wird er doch wissen, daß du der Informant bist. Hast du keine Angst, daß er dir im nachhinein schaden könnte?«
    »Indem er zugibt, er hätte versucht, sich mein Schweigen zu erkaufen? Wohl kaum.«
    Ich sagte das leichthin. Ein Mangel an Überzeugung, den Gina spürte.
    »Damit wir uns nicht falsch verstehen, Tom: Sollten hier irgendwelche zwielichtigen Figuren auftauchen und Krawall machen, fliegst du auf der Stelle raus. Notariell beglaubigtes Wohnrecht hin oder her. Ist das klar?«
    Ich nickte ergeben.
    »Ganz was anderes«, sagte sie. »Wenn du willst, kannst du mittags in der Küche essen. Marianne – ich meine Frau Kalff – hat sich bereit erklärt, für dich mitzukochen. Dann hättest du wenigstens einmal am Tag was Warmes im Bauch.«
    »Das hast du doch nur veranlaßt, weil du Angst hast, ich könnte mir hier ’nen Campingkocher reinstellen. Oder noch schlimmer – ich könnte im Speisesaal auftauchen.«
    In ihren Augen gab es ein kleines Gewitter. »Du bist ein wirklich undankbares Stück, Tom.«
    »Kocht sie denn gut?«
    »Probier’s aus.«
    Ich fischte einen Zahnstocher aus der Brusttasche. Bis vor einem halben Jahr hatte ich vierzig Zigaretten am Tag geraucht. Zur Zeit kam ich mit zwanzig Zahnstochern aus. »Was ist eigentlich mit ihrer Tochter los? Warum redet die Kleine nicht?«
    Gina blickte aus dem Fenster. Das Restlicht zeichnete ihre Konturen hamiltonweich.
    »Sophie und ihr kleiner Bruder wurden letztes Jahr von einem Auto angefahren. Helmut war auf der Stelle tot, Sophie sitzt seitdem im Rollstuhl und hat nie wieder ein Wort gesprochen. Damals ist Marianne innerhalb von vier Tagen grau geworden.«
    »Daß sie nicht spricht, ist das psychisch bedingt?«
    Gina nickte.
    »Ist sie in Therapie?«
    »Dafür ist kein Geld da. Die Kalffs kommen gerade mal so über die Runden.«
    »Die Reha muß doch der Unfallverursacher zahlen. Haben die Kalffs keinen Anwalt genommen?«
    »Wer auch immer es war, er hat Fahrerflucht begangen. Die Kinder hat man erst eine halbe Stunde nach dem Unfall gefunden. Das Tragische ist, wäre Sophie sofort behandelt worden, hätte sich die Lähmung wahrscheinlich vermeiden lassen.«
    Wir schwiegen. Dann zerbiß ich den Zahnstocher, was in der Stille unerhört laut war. Gina nahm das zum Anlaß, aufzustehen.
    »Eh ich’s vergesse«, sagte ich. »Ich soll dich von deinem Langzeitverlobten grüßen.«
    »Von Josef? Wann war er denn hier?«
    Ich sagte es ihr. »Er hat mich für Samstag nach Satzvey eingeladen. Du sollst mich mitnehmen.«
    »Was du nicht sagst«, zischte Gina. »Das wird einfach so über meinen Kopf hinweg beschlossen, oder wie? Wer ist denn auf die grandiose Idee gekommen? Du oder
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