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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord
Autoren: Edgar Noske
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gesagt.«
    »Seit drei Jahren mach ich das jetzt. Läuft ganz gut. U nd Sie sind noch bei der Kripo?«
    »’türlich«, sagte ich. »Mordkommission. Läuft auch ganz gut.«
    »Bleiben Sie länger?«
    »Ein paar Tage bestimmt. Ich muß mal ausspannen.«
    »Da sind Sie hier genau richtig«, trompetete er munter, und ich war darauf gefaßt, daß er mir dazu auf die Schulter klopfen würde, aber das blieb dann doch aus. »Hat Gina Ihnen gesagt, wann sie zurück sein wollte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht weiß Frau Kalff Bescheid.«
    »Die hab ich schon gefragt«, sagte er. »Ich hatte in Bitburg zu tun und dachte, ich schau mal vorbei. Aber jetzt muß ich wieder. Wir haben noch Probe.«
    »Freiwillige Feuerwehr oder Bauernbühne?«
    »Letzteres ist relativ warm«, sagte er, stand auf und zog die Sonnenbrille wieder auf die Nase. »Am Wochenende sind die Ritterfestspiele auf Satzvey. Ich reite beim Turnier mit.«
    »So richtig mit Rüstung und allem?«
    »Genau. Waren Sie schon mal da?«
    Ich verneinte.
    »Wenn Sie Lust haben – Sie sind herzlich eingeladen. Fahren Sie einfach mit Gina. Was halten Sie davon?«
    »Hört sich gut an«, sagte ich. »Ich denk drüber nach.«
    »Grüßen Sie Gina von mir.«
    Kaum war Deutsch verschwunden, kam der Neufundländer und legte sich zu meinen Füßen. Irgendwer hatte mir mal erzählt, Hunde seien gute Zuhörer. Ich probierte es aus und erzählte ihm eine traurige Geschichte.

Kapitel 4
    Der Chianti von Aldi war gar nicht schlecht, vor allem in Anbetracht des Preises. Ich hatte noch eine Flasche im Koffer gefunden, die ich mit Hilfe des Zahnputzglases in kleinen Schlucken leerte. Dabei lag ich auf dem Bett und starrte auf das Stück Abendhimmel vor dem Fenster. Vor allem auch, um nicht auf die Tapete blicken zu müssen, deren Muster mich an zerplatzende Kürbisse erinnerte. So ging das eine halbe Flasche lang, dann klopfte es.
    Ich wälzte mich von meinem Lager und sperrte auf. Gina stand im Halbdunkel des Flurs. Sie trug die gleichen Klamotten wie am Vormittag, nur das Stirnband fehlte.
    »Warum schließt du ab?« fragte sie. »Hast du Angst, entführt zu werden?«
    »Genau. Niemand würde Lösegeld für mich zahlen.«
    »Da könntest du recht haben. Ich hab mit dir zu reden. Darf ich reinkommen?«
    »Hast du keine Angst um deinen guten Ruf?«
    »Wer sagt dir, daß der gut ist?«
    Ich ging zurück zum Bett und kühlte mich wieder in die Matratze. Gina schloß die Tür und rückte sich den Stuhl vor dem Fenster zurecht. Halbseitig vom Abendrot beschienen sah sie aus wie Ava Gardner am Fuß des Kilimandscharo, und für einen kurzen Moment blitzte in mir die Erinnerung an jene zwei wilden, zukunftslosen Wochen vor beinahe zwanzig Jahren auf, die wir vorwiegend im Bett verbracht hatten.
    »Kommen wir gleich zur Sache«, sagte sie. »Ich hab in Bonn angerufen.«
    »Wen? Den Petitionsausschuß?«
    »Sehr komisch. Bei der Kriminalpolizei. Auf deiner alten Dienststelle sagte man mir, daß du dort nicht mehr zu erreichen bist, und eine neue Nummer konnte man mir nicht geben. Dann hab ich’s unter deiner Privatnummer versucht. Der Anschluß existiert nicht mehr.«
    »So viel Interesse an meiner Person ehrt mich natürlich, aber was bezweckst du damit?«
    »Ich will wissen, woran ich mit dir bin. Ich möchte nämlich nicht, daß dieses Haus zu einem Obdachlosenasyl verkommt.«
    »Kontrollierst du alle deine Gäste auf einen festen Wohnsitz?«
    »Nur solche, die einen derart verlotterten Eindruck machen wie du.« Sie schlug die Beine übereinander. »Was ist los mit dir? Bist du entlassen, oder wie heißt das bei Beamten?«
    Ich verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Eigentlich darf ich nicht darüber reden – ich bin undercover unterwegs. Ich soll als Nachfolger von Mauss aufgebaut werden.«
    Für den Blick, mit dem sie mich anstarrte, wäre sie noch vor dreihundert Jahren auf dem Scheiterhaufen gelandet.
    »Du kennst doch solche Geschichten bestimmt aus der Glotze«, sagte ich. »Ein Bulle tut so, als hätte er den Boden unter den Füßen verloren – keinen Job mehr, keine Familie, kein Zuhause –, und bietet sich so der Gegenseite indirekt als Überläufer an.«
    »Der Mafia?«
    »Zum Beispiel.«
    »So etwas gibt’s aber nur im Fernsehen.«
    »Gina, die Wirklichkeit ist viel bizarrer, als du dir das vorstellen kannst.«
    »Vielleicht – aber bestimmt nicht in deinem Fall.« Sie beugte sich vor. Ihre Augen waren ganz schmal, und sie betonte Wort für Wort. »Ich frage
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