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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord
Autoren: Edgar Noske
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Probleme haben, auch wenn sie das nicht gleich an die große Glocke hängen.«
    »Daß du uns fast in den Graben gekarrt hättest, war natürlich sehr dezent. Sehr unauffällig, hing nur an einem klitzekleinen Glöckchen.«
    »Niemand hat dich gezwungen, mit mir zu fahren.«
    »Stimmt«, sagte ich und schlürfte den Rest, der noch in der Dose war. »Aber das nächste Mal sagst du vorher Bescheid.«
    »Reg dich ab«, sagte Gina. »Es wird kein nächstes Mal geben.«
     
    Satzvey
     
    Deutsch war seit einer Viertelstunde überfällig.
    »Gibt’s denn woanders noch ’n Kassenhäuschen?« fragte ich.
    Gina verneinte. »Das ist das einzige. Ich versteh das überhaupt nicht. Normalerweise ist Josef die Pünktlichkeit in Person.«
    »Dann kaufen wir uns eben Karten, eh wir uns die Beine in den Wanst stehen. Außerdem hab ich Durst auf ’n Bier. Oder gibt’s hier nur Met?«
    »Natürlich gibt’s auch Bier.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte zum zigsten Mal den Weg hinunter. »Ich versteh das wirklich nicht. Halb acht hatten wir ausgemacht, und um neun beginnt schon das Turnier.«
    Zweimal nicht überdachte Tribüne kosteten mich zwanzig Mark.
    »Wenn du durch den Torbogen gehst und dann rechts, da gibt’s jede Menge zu essen und zu trinken«, sagte Gina. »Ich geh erst mal zum Turnierplatz und seh nach, ob er da ist.«
    »Und wo treffen wir uns?«
    »Ich werd dich schon finden. Bis gleich.«
    Hinter dem Torbogen war Markt. An den Buden wurden Holzschwerter, Papphelme und Flitzebogen für Kinder, Haushaltsbürsten und heilende Steine für Muttis und Trinkhörner für Vatis angeboten. Aber es gab auch selbstgefertigte Musikinstrumente, Korbwaren, Naturwolle, Bücher über Ritter und die Ritterzeit und immer wieder Gaukler, die jonglierten, Feuer schluckten oder auf Stelzen herumliefen. Mittelalterliche Melodien, Lauten- und Flötentöne schwirrten durch die Luft. Unter den Besuchern waren Langhaarige und Bärtige überproportional vertreten. Ein Publikum, das mich stark an Folkfestivals in den Siebzigern erinnerte. Fehlten nur ein Joint im Mundwinkel und eine mit Patschuli parfümierte Braut im Arm.
    Indem zweiten Hof ging es etwas ruhiger zu. Hier wurden Kupfer- und Lederwaren, Keramik und Steinofenbrot verkauft. Und hier gab’s Schmorbraten und Bier. Ich setzte mich mit meiner Portion an einen der Biertische. Als ich den dritten Bissen in den Mund schob, rutschte Gina auf die Bank gegenüber.
    »Willst du ’nen Happen?« fragte ich. »Du guckst so.«
    Sie schüttelte den Kopf, griff aber nach meinem Bier und trank einen Schluck. Zurück blieb ein kleiner Schaumschnäuzer. »Die wissen auch nicht, wo Josef ist. Wenn er in der nächsten halben Stunde nicht kommt, reitet ein anderer für ihn.«
    »Machst du dir Sorgen?«
    »Seltsam ist das schon. Auf das Turnier hat er sich seit Monaten gefreut. Und das ist auch überhaupt nicht seine Art. Sonst ruft er wenigstens an.«
    »Noch ist ja Zeit.« Ich schob mir eine letzte Gabel Bratkartoffeln in den Mund und stellte den Teller zur Seite. »Wieso darf Josef eigentlich bei dem Turnier mitmachen? Im Prospekt steht, das sei ’ne professionelle Truppe.«
    »Ißt du das nicht mehr?«
    »Nein. Willst du’s doch?«
    »Eh es verkommt.«
    »Restefressen macht dick«, sagte ich und schob ihr den Teller rüber. »Soll ich dir neues Besteck holen?«
    »Hast du was Ansteckendes?«
    »Ich bin krankhaft fröhlich.«
    »So einen Virus kann ich gebrauchen«, sagte Gina. »Aber zu deiner Frage: Vor Jahren, als das mit den Ritterspielen anfing, waren es meistens Burschen aus der Gegend, die die Turniere geritten haben, so auch Josef. Damals ging’s noch viel familiärer zu, nicht so professionell wie heute. Inzwischen meint man ja, hinter diesen mittelalterlichen Aktivitäten stecke eine eigene Industrie. Jedenfalls ist Josef seit damals mit den von Gymnichs, den hiesigen Burgherren, befreundet. Gereizt hat es ihn schon lange, noch mal mitzureiten, und dieses Jahr hat er es einfach nicht mehr ausgehalten. Dank der gräflichen Vermittlung hat es dann geklappt.«
    »Kriegt er was dafür?«
    »Im Gegenteil, er legt drauf, weil er sich extra versichern muß. Es ist halt ein Spaß, und der ist es ihm wert.«
    »Trinken wir noch ’n Bier?«
    Gina warf einen Blick auf ihre Ebel, die zu ihrer Aufmachung paßte wie ein Handy zu Winnetou.
    »Ich würde lieber zurück und sehen, ob er inzwischen da ist. Du kannst ruhig noch bleiben.«
    »Bei all diesen wilden Gesellen laß ich dich
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