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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Autoren: Rainer Stephan
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1. Bei Rovereto rechts raus
oder Wozu eine
Gebrauchsanweisung?
     
     
     
    Eine Gebrauchsanweisung für den Gardasee – wofür bitte soll die gut sein? Genau das, finden viele, darunter besonders viele deutsche Touristen, ist doch das Praktische an diesem Urlaubsziel, daß es kaum Probleme macht. Man kommt leicht hin, einfach über die Brennerautobahn Richtung Verona und dann bei Rovereto oder Affi rechts raus, man findet rasch ein Quartier, meist sogar ein erschwingliches, ums Wetter braucht man sich keine großen Sorgen zu machen, das Essen – italienisch, aber nicht allzusehr – schmeckt prima, der Wein dazu fließt in Strömen und – besonders komfortabel – die Leute dort sprechen und verstehen Deutsch. Eben das wunderbar Unkomplizierte ist es, das Jahr für Jahr Hunderttausende von deutschen Ferienreisenden an den Gardasee zieht. Wenn dem aber so ist: Warum braucht man beim Besuch des Gardasees dann eine Gebrauchsanweisung?
    Nun: Eben darum! Zumindest der, dessen Ansprüche an eine Ferienreise oder auch nur an ein paar Urlaubstage über die unkomplizierten Pauschalangebote von Reiseveranstaltern oder lokalen Tourismusmanagern hinausgehen, tut sich erfahrungsgemäß gerade an derart populären Reisezielen schwer, auf seine Kosten zu kommen. Gerade weil der Gardasee so beliebt ist, machen Individualreisende in der Regel einen großen Bogen um ihn. Und wenn sie überhaupt in Italien unterwegs sind, denken sie gar nicht daran, in Rovereto oder Affi rechts abzubiegen. Bestenfalls freuen sie sich, daß die Autobahn von hier an nicht mehr derart überfüllt ist, und fahren weiter Richtung Süden, jenen Regionen entgegen, in denen sie all das zu finden hoffen, was ein so überlaufenes Ferienziel wie der Gardasee eben nicht verspricht: die Ursprünglichkeit abgelegener Bergdörfer zum Beispiel, das Erlebnis einer von der Zivilisation noch weitgehend verschonten Natur, Städte, deren Leben nicht vom Tourismus geprägt ist, Gerichte und Getränke, die nicht auch bei jedem besseren Italiener daheim auf der Speisekarte zu finden sind, den Kontakt mit fremden Menschen und Lebensweisen, den stillen Frieden einer einsamen Abtei oder auch nur die Möglichkeit, seine Zeit an den Ufern eines einsamen Bergsees mit genußreichem Nichtstun zu verbringen – dolce far niente!
    Ja, es gibt gar nicht wenige solcher Orte in Italien. Und wer den einen oder anderen von ihnen gefunden hat, im Inneren Sardiniens oder im fernen Kalabrien, in einem schwer erreichbaren Hochtal des Apennin oder irgendwo in den Albanerbergen südlich von Rom, dem fehlt zu seinem Glück eher keine Gebrauchsanweisung. Dringend braucht sie aber der, der alles das – die Betonung liegt auf alles! – ausgerechnet am überlaufenen Gardasee sucht, nicht nur, weil er solche Ziele hier gar nicht vermutet hat, sondern auch, weil sie oft gar nicht leicht aufzuspüren sind.
     
    Gewiß, man kann auch als Naturfreund oder als Bildungshungriger von einem Aufenthalt am Gardasee profitieren, indem man sich einfach mit dem Strom treiben läßt und dabei einen der mittlerweile zahlreichen Reiseführer zu Rate zieht, die diese Region vorstellen. Diese Gebrauchsanweisung will aber etwas anderes: Sie will explizit dabei helfen, gegen den Tourismusstrom zu schwimmen. Wer sich einmal auf den Versuch eingelassen hat, den Gardasee auf diese Weise kennenzulernen, der wird es bei diesem einen Versuch nicht bewenden lassen. Selbst auf die Gefahr hin, daß in Zukunft auch für ihn das Motto gelten wird, das dem Massentourismus hier schon immer die Richtung weist: bei Rovereto rechts raus!
 

 
     
     
     
     
     
2. Der verschwundene See
oder Wie die Schiffe klettern lernten
     
     
     
    Wo, bitte, ist der See geblieben? Wir haben doch alles richtig gemacht, haben die Autobahn an der Ausfahrt Rovereto-Süd verlassen, wir sind brav den Schildern Richtung Riva gefolgt, haben uns dann über ein gutes Dutzend ampelbewehrter Kreuzungen durch das scheinbar nur aus Einkaufsmärkten bestehende Städtchen Mori gequält und schließlich Loppio erreicht. Immerhin ging es dabei bereits deutlich bergauf, also dem See entgegen. Noch haben wir ihn nicht gesehen, aber wir wissen ja: Irgendwo da oben muß er liegen.
    Nein, wir reden nicht vom Gardasee – noch nicht. Zwar hat man von der Etschtalautobahn aus, auch wenn man es besser weiß, stets das Gefühl, der Gardasee liege deutlich über einem – schließlich
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