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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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ich in München so oft vermisst hatte, andererseits wäre ich am liebsten einfach hiergeblieben. Einerseits konnte ich es kaum erwarten, meine Familie, vor allem meine heißgeliebte nonna, wieder in die Arme zu schließen, andererseits wollte ich nicht weg von meinen neuen Freunden. Einerseits war ich glücklich, endlich in Richtung Heimat aufzubrechen, in das warme, sonnenverwöhnte Land, aus dem ich kam, wo ich meine Wurzeln hatte, andererseits war ich in den letzten zwölf Monaten in München so etwas wie heimisch geworden.
    Mühsam quälte ich mich mit Beate und meinem Gepäck den Berg zur S-Bahn hinauf. Die Taschen und Koffer waren leider nicht weniger geworden, zumal man mit dem Lebensmittelpaket, das die M&Ms mir bei der Abschiedsparty geschenkt hatten, locker eine fünfköpfige Familie problemlos drei Wochen hätte ernähren können. Da die Jungs in der WG um mein klammes Budget wussten, hatten sie mir großzügigerweise angeboten, die Fahrtkosten für ein Taxi zu übernehmen – etwas, das ich normalerweise niemals abgelehnt hätte. Aber ich wollte unbedingt mit der Bahn fahren, um bei meinem Abschied den gleichen Weg zu gehen wie damals bei meiner Ankunft. Bei so was bin ich nostalgisch.
    Als waschechte Italienerin ziehe ich es zwar von Geburt an vor, mit dem Auto an meinen jeweiligen Zielort zu gelangen, und am Anfang hatte ich dem Münchner MVV mehr als skeptisch gegenübergestanden, aber irgendwie faszinierte mich die Bahnfahrerei. Vermutlich kam sie meiner Neugierde ebenso entgegen wie meinem inneren Drang, wo immer ich war, die Leute um mich herum zu beobachten und über ihre Lebensumstände zu spekulieren. Ein Italiener setzt sich grundsätzlich sehr ungern und daher nur im Notfall der Enge in öffentlichen Bussen oder Bahnen aus. Wozu hat er schließlich ein Auto? Selbst kleinen Kindern würde es nicht einfallen, den Schulweg anders zurückzulegen als in mammas Wagen, selbst wenn die Strecke nur wenige hundert Meter betrüge oder sieben verschiedene Busse gleichzeitig direkt vor der Haustür abführen.
    »Hast du deine Fahrkarte?«, fragte Beate, als die S-Bahn am Horizont zu sehen war.
    Stolz zückte ich meine Streifenkarte, auf der noch genau zwei Streifen übrig waren, und hielt sie ihr unter die Nase. Dabei musste ich daran denken, wie mich nicht nur das undurchschaubare Tarifsystem des MVV zur Verzweiflung gebracht hatte, sondern vor allem auch die Fahrkartenautomaten.
    Kundenfreundlichkeit ist in Deutschland grundsätzlich ein schwieriger Begriff, und das liegt sicher nicht nur an dem langen Wort. Der Deutsche als solcher und der Bayer im Besonderen halten nicht viel davon, ihre Kundschaft zuvorkommend und gut zu behandeln. Offensichtlich ist hierzulande die Konkurrenz unter den einzelnen Firmen nicht so groß, dass jemand fürchten muss, der unzufriedene Kunde könne zur Konkurrenz abwandern. Jedenfalls hatte ich eine ganze Weile und eine unschöne Begegnung mit zwei Fahrkartenkontrolleuren gebraucht, ehe ich kapiert hatte, dass ein Ticket nicht gleich ein Ticket und schon gar nicht ein gültiges, sprich entwertetes Ticket war. Die Tatsache, dass in Bussen und Trambahnen die Fahrscheine bereits entwertet aus dem Automaten kamen, während die Tickets aus allen anderen Automaten nur dann gültig waren, wenn man sie vorher in einen von diesen blauen Kästen gesteckt hatte, wollte mir selbst nach einem Jahr nicht recht einleuchten.
    Beate wuchtete die wie immer aus allen Nähten platzende Reisetasche in die Bahn, während ich mich mit meinem Koffer und den Tüten abmühte, in denen die Geschenke steckten, die ich gestern Abend bei meiner Verabschiedung bekommen hatte.
    »Jetzt wird’s ernst«, sagte sie, als der Zug anfuhr, und bedachte mich mit einem wehmütigen Blick.
    »Ich würde am liebsten hierbleiben«, sprach ich meine Gedanken von vorhin aus und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an.
    Meine Mitbewohner und Nachbarn waren mir in den letzten zwölf Monaten wirklich ans Herz gewachsen, und ich hätte sie am liebsten alle zusammen in einen Koffer gesteckt und mitgenommen. Vor allem Otto.
    Ich hatte ihm bei unserem Abschied noch so viel sagen wollen, was unausgesprochen geblieben war, schließlich hoffte ich mehr als alles andere, dass wir uns wiedersahen. Wir hatten das Thema großzügig ausgeklammert, und es hatte sich nie mehr die Gelegenheit ergeben, dass ich mit ihm allein war. Gut möglich, dass ich es mir nur einbildete, aber ich war der Meinung, dass Otto um diesen Zustand sehr
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