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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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Prolog
    »Vado al massimo«
    »Porca madonna e tutti santi!« , entfuhr es mir, nachdem ich den Brief mit dem hellgrünen Umschlag aufgerissen hatte und mit klopfendem Herzen die Zeilen überflog, um an drei Wörtern hängenzubleiben, die ein Unbehagen in mir auslösten, als hätte mich der Carabiniere in der Via Dante wieder mal beim Vespafahren ohne Helm erwischt.
    Völlig verschwitzt schleppte ich mich die Stufen bis zu unserer Wohnung im sechsten Stock hoch, verdammte den seit Wochen kaputten Aufzug und versuchte, die Tür aufzuschließen, die wie immer klemmte. Mit einem gezielten Tritt überredete ich sie dazu, endlich nachzugeben, und ging in den Flur.
    » Monaco di Baviera  – München, Bayern«, stand da in fettgedruckten Lettern, und ich konnte nicht verhindern, dass mir ein weiterer Fluch über die wie immer dunkelrot geschminkten Lippen kam. Mit dem Handrücken wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und fuhr mir mit dem Ringfinger unter den Augen entlang, um die bröckelnde Wimperntusche wegzureiben. Ich musste mir wirklich dringend eine neue kaufen, aber momentan hatte ich andere Sorgen.
    Dann ging ich in die Küche, in der sich von meiner Geburtstagsparty gestern Abend Essensreste, Geschirr, Flaschen und Kippen stapelten, und ließ mich auf den gedrechselten Küchenstuhl sinken, den ich mit mamma neulich erst auf dem Flohmarkt in Rimini ergattert hatte. Das alte Holz stöhnte, als würde es mit mir fühlen.
    Da hätten sie mich auch gleich nach Sibirien ins Arbeitslager schicken können, jammerte ich stumm vor mich hin. Was haben die sich nur dabei gedacht? Was hab ich bloß verbrochen? Ob ich Paola neulich doch hätte die Wahrheit sagen und gestehen sollen, dass ich ihr die Baci di Dama weggegessen hatte? Oder hat es etwa damit zu tun, dass ich mamma die zwanzig Euro, die ich mir letzte Woche heimlich aus ihrem Portemonnaie »geliehen« habe, nie zurückgeben wollte? Wenn ich das geahnt hätte! Den Preis war mir der Spaß dann doch nicht wert.
    Mit dem Brief in der Hand saß ich da, starrte wie gebannt auf die Zeilen, und je häufiger ich den Satz »Ihrem Antrag auf ein einjähriges Auslandsstudium in Deutschland wurde stattgegeben. Bitte setzen Sie sich bis zum 15. 09. 2010 mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München in Verbindung« las, desto kälter wurde mir. Dabei waren draußen mindestens fünfzig Grad im Schatten, und hier drinnen war es, trotz der zugezogenen Fensterläden, kaum kühler. Aber das sag mal einem unter Schock stehenden Körper.
    Hätte ich doch bloß nicht auf babbo, wie ich meinen Vater liebevoll nannte, gehört und mein Schicksal dieser kleinen privaten Förderorganisation anvertraut. Ursprünglich hatte ich wie alle meine Kommilitonen, die ins Ausland gingen, am Erasmus-Programm teilnehmen wollen, doch mein ach so kluger und grundsätzlich alles besser wissender Vater meldete mich bei der Fondazione Francesco D’Assisi an. Weil er dort jemanden kannte, der jemanden kannte, der jemanden … Egal! Auf die Fondazione war jedenfalls auch kein Verlass mehr, genau wie auf die italienische Opposition, das Wetter und die Lottozahlen. Dabei hatte ich irgendwo mal gelesen, der selbstlose und weise Mönch Franz von Assisi habe einen großherzigen Charakter. Nun ja, nach seinem Tod schien das ganz offensichtlich nicht mehr zu gelten – oder vielleicht war die Großherzigkeit nach mittlerweile achthundert Jahren endgültig verjährt?
    Ich stützte die Ellbogen auf den Küchentisch und rieb mir die pochenden Schläfen, doch leider wollte der Kopfschmerz nicht nachlassen. Er war eher stärker geworden.
    München – ich wusste nicht viel über diese Stadt, in der meine beste Freundin Valeria als Fünfzehnjährige mal zum Schüleraustausch gewesen war, nur dass sie in Bayern lag und dass diese Bayern ein recht seltsames Volk sein mussten. Immerhin behaupteten sie, München sei die nördlichste Stadt Italiens, was mir per se höchst verdächtig erschien. Hatten die denn keinen Nationalstolz? Die festa della birra, das Oktoberfest, das Mekka der Biertrinker, von dem alle immer ganz begeistert erzählten, schien zwar tatsächlich ein Knaller zu sein, aber warum mussten die Leute sich dazu verkleiden? Feierte man in Deutschland im September Fasching? Nicht dass ich wüsste … Ich hatte immer mal wieder Fotos vom Münchner Oktoberfest gesehen und konnte es einfach nicht fassen. Die Mädels in den seltsamen Kleidern, die aussahen wie aus Omas Mottenkiste, ließ ich mir ja
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