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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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Tisch stellen, nicht ohne achtmal zu erwähnen, wie schön sie doch sei. Und auch für die Socken würde er sich ebenso ausgiebig wie herzlich bedanken wie für einen gedeckten Blankoscheck, obwohl er sie unmittelbar nach dem Auspacken in die hinterste Ecke seines Kleiderschrankes verbannen wird, von wo er sie zu Lebzeiten ganz sicher nicht mehr hervorholen wird.
    Jedenfalls hatte Friedrich die Geschenkeorgie ins Rollen gebracht, denn plötzlich hielten alle irgendwelche Schachteln und Pakete in der Hand, und ich kam mit dem Auspacken kaum mehr nach. Dabei war ich nicht gerade zögerlich, sondern zerfetzte die Verpackungen in Windeseile, um meiner grenzenlosen Neugierde Rechnung zu tragen und mich nicht allzu lange auf die Folter zu spannen. Ich war völlig sprachlos, denn sie hatten sich alle so viel Mühe gegeben. Elin hatte mir eine Ausgabe des Zauberbergs gekauft, die sie mit witzigen handschriftlichen Kommentaren versehen hatte. Beate, Isabelle und Otto hatten mir ein Fotobuch zusammengestellt, mit lauter Aufnahmen, die ich noch gar nicht kannte. Rainer überreichte mir einen Wanderführer über die schönsten Touren in den Münchner Hausbergen, zusammen mit einer Großpackung Heftpflaster, und Simone schenkte mir einen Lippenstift in meiner Lieblingsfarbe: Dunkelrot. Von den M&Ms bekam ich einen Fresskorb, der den Carepaketen meiner mamma in nichts nachstand, mit all meinen Lieblingssachen.
    »Grazie mille« , brachte ich schließlich gerührt hervor und prostete in die Runde. »Darauf muss ich jetzt erst mal einen Schluck trinken, sonst fange ich gleich an zu heulen.« Noch während ich den Satz aussprach, kullerte mir eine dicke Träne über die Wange.
    Marcus nahm mich daraufhin in den Arm und wischte sie mir vorsichtig weg. Ich hätte einiges darum gegeben, wenn Otto an seiner Stelle gewesen wäre. Während ich mich an meinen Mitbewohner lehnte, fiel mein Blick auf den sportlichen Urbayern, der mir fröhlich zuzwinkerte. Allerdings war ihm anzusehen, dass ihm nicht nur fröhlich zumute war.
    »Schade, dass du abreist«, sagte er dann. »Du bist uns richtig ans Herz gewachsen. Ich hoffe doch sehr, dass wir es schaffen, in Kontakt zu bleiben, und uns bald mal wiedersehen.«
    »Da du dich bekanntlich nicht aus München wegbewegst, wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als noch mal herzukommen«, sagte ich und fügte noch schnell hinzu: »Natürlich nur, wenn meine Eltern mich lassen.«
    »Das will ich mal hoffen«, erwiderte Otto nur. Er war schon den ganzen Abend über auffallend schweigsam und hatte sich eher von mir ferngehalten.
    Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, kippte meine Stimmung von ausgelassen zu melancholisch, und deshalb war ich nicht undankbar, als Isabelle und Otto zum Aufbruch riefen und sich anschickten, nach drüben zu gehen. Die M&Ms, die wie jeden Wochentag seit halb fünf Uhr morgens auf den Beinen waren, betrachteten die Welt seit einer ganzen Weile nur noch aus kleinen Schlitzen, und Friedrich hatte seine Wortbeiträge ebenfalls erheblich reduziert.
    Nachdem wir uns alle mehrfach umarmt hatten und reichlich Tränen geflossen waren, wankte ich ins Bad und anschließend auf direktem Weg in mein Zimmer. Als ich endlich, betrunken und durcheinander gleichermaßen, im Bett lag und vor dem Einschlafen an so gut wie nichts anderes als Otto denken konnte, musste ich wieder mal ein Bein auf den Boden stellen, damit ich nicht so schnell Karussell fuhr. Ich versuchte, mir all die schönen, aber auch peinlichen oder schwierigen Momente in München in Erinnerung zu rufen, doch davor, dazwischen, währenddessen und danach hatte ich immer wieder Otto vor Augen.
    »Lass mich gefälligst in Ruhe«, murmelte ich schlaftrunken und vergrub den Kopf unterm Kissen.
    Sekunden später machte ich zum letzten Mal in München die Augen zu.

Epilog
    »Ti prendo e ti porto via«
    Auf dem Weg zum Bahnhof kam es mir vor, als wäre das Jahr in München innerhalb von wenigen Wochen vergangen. Gerade die vierzehn Tage bis zum Ende der Vorlesungszeit in der vorletzten Juliwoche kamen mir vor, als hätte ich sie im Zeitraffer erlebt. Ich konnte es kaum fassen, dass es inzwischen knapp zwölf Monate her war, seit ich den Münchner Hauptbahnhof im Beisein von Beate, die mich nun auch als Einzige begleitete, zum ersten Mal betreten hatte. So viel war in dem einen Jahr passiert, dass es für drei Leben gereicht hätte. Einerseits freute ich mich unbändig auf Riccione, das Meer und die salzige, warme Luft, die
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