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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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ich etwa auch so? Inzwischen vielleicht nicht mehr, sagte ich mir, doch bei meiner Ankunft in München hatte ich vermutlich nicht anders geurteilt. Wie war das noch? Alles, was uns an anderen missfällt, kann uns zu besserer Selbsterkenntnis führen. Das hatte der schlaue C. G. Jung mal gesagt, und der war selbst in Italien als Begründer der analytischen Psychologie anerkannt.
    Mamma war gerade noch dabei, die Wohnung mit kritischem Röntgenblick zu inspizieren, als Jan wie verabredet klingelte. Ich war heilfroh, dass ich mich nicht auf den Vorschlag eingelassen hatte, nach drüben in Ottos Zimmer zu ziehen, denn das Chaos, das in der Nachbar-WG herrschte, hätte meine Mutter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort zur Abreise bewegt. Inklusive Tochter, versteht sich.
    Jan, der immerhin fast perfekt Italienisch sprach, gab sich wahrlich Mühe, doch mamma wollte sich von ihm weder beeindrucken noch überzeugen lassen. Ich glaube, sie merkte gar nicht, dass es alles andere als selbstverständlich war, dass sie in diesem fremden Land so problemlos kommunizieren konnte. Mit Sicherheit hatte sie sich darüber vorher keine Gedanken gemacht und verbuchte dies daher nicht wie geplant auf der Positivseite ihrer imaginären Strichliste. Vielmehr bemängelte sie, dass unser Vermieter viel zu jung und damit nicht seriös, die Wohnung zu dunkel, das Bad zu klein und die Katze zu schmutzig wäre. Wie man eine solche Bakterienschleuder in der Wohnung halten könne, noch dazu mit einem eigenen Klo mitten im Badezimmer, sei ihr schleierhaft. Sie ging sogar so weit mit ihrer Mäkelei, dass ich drauf und dran war, Joe Kugel in Schutz zu nehmen.
    Natürlich nahm sie meine Umgebung einzig und allein aus Sorge um mich so kritisch unter die Lupe, dennoch zählte dieser Vormittag zu den anstrengendsten in meinem Leben. Zwischendurch schrieb ich Vale eine SMS, in der ich ihr die Pest an den Hals wünschte, doch zum Glück schickte ich sie nicht ab. Mir war klar, dass meine Freundin, die ich allzu gern für mein Leid verantwortlich gemacht hätte, im Grunde nichts dafür konnte, sondern dass ich erst mal vor meiner Haustür kehren musste. Doch wer gesteht sich so was schon gerne ein?
    Wir schifften ein paarmal haarscharf an einer Katastrophe vorbei, etwa als mamma sich über die vielen Herrenschuhe in der Abstellkammer wunderte oder wissen wollte, warum sich die Frauen in Deutschland mit Trockenrasierern die Haare an den Beinen entfernten. Isabelle und Jan stellten eine abstruse Theorie nach der anderen auf, und irgendwie schafften wir es zu dritt, dass sich das Misstrauen meiner Mutter in Grenzen hielt. Nachdem immerhin die Inspektion der Küche zu mammas Zufriedenheit verlaufen war, holte sie aus ihren Taschen einen ganzen Supermarkt voller Lebensmittel hervor und fing unaufgefordert an zu kochen. Wahllos öffnete sie alle Schränke und Schubladen, bis sie sich das nötige Equipment zusammengesucht hatte, und bald brutzelte und zischte es in mehreren Pfannen und Töpfen, wie ich es von zu Hause kannte.
    Ich ließ sie einfach machen, da ich hoffte, dass sie sich so am ehesten wieder beruhigte, und hielt mit Isabelle und Jan im Flur eine heimliche Lagebesprechung ab. Beate hatte meiner Mutter nur kurz die Hand geschüttelt und war in Richtung Uni verschwunden, ihr war das am frühen Morgen, glaube ich, alles zu laut und hektisch. Jan, der die M&Ms sowieso im Laden besuchen wollte, versprach schließlich, mit den beiden zum Mittagessen vorbeizukommen, und Isabelle wollte Otto zwangsverpflichten. Wie ich meine Mutter kannte, war sie glücklich, sobald sie eine Runde von mindestens fünf Personen abfüttern konnte, bis sie platzten, daher wollte ich alles in meiner Macht Stehende tun, um es dazu kommen zu lassen.
    Tatsächlich war beim gemeinsamen Mittagessen die Welt zumindest schon wieder halbwegs in Ordnung. Alle beteuerten, wie gut es ihnen schmeckte, alle nahmen reichlich Nachschlag, alle aßen mit Begeisterung, und meine Mutter strahlte übers ganze Gesicht. Otto erwies sich mal wieder als Retter in der Not, weil er mamma tatsächlich mit einem Stück pecorino stagionato aushelfen konnte, das sie unbedingt zum Verfeinern ihrer Pastasoße brauchte. Sie hatte den Ziegenkäse zu Hause vergessen und war beim Kochen kreuzunglücklich gewesen, weil sie ihre Nudeln unmöglich ohne die in ihren Augen wichtigste Zutat servieren konnte.
    Kurz bevor der Mutter-Tochter-Disput in ungeahnt kritische Sphären vordrang, hatte Otto
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