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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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bei ihr ja nicht hochkochen zu lassen, sagte ich im unschuldigsten Unschuldston: »Wieso? Das ist ganz normal für München. Hier wohnen anständige Leute.«
    Sie deutete erst auf die ehemalige Zigarettenfabrik, die gerade zu einem Gewerbepark umgebaut wurde, und dann auf das weitläufige Gelände des Fruchtgroßhändlers gleich neben dem Bahndamm. »Ist das hier wirklich ein Wohngebiet? Hier sieht es ja schlimmer aus als in Palermo.«
    Da ich weiß, dass mamma das Stilmittel der Übertreibung gerne für ihre Zwecke einsetzt, überging ich die Bemerkung einfach und zeigte auf unser Haus, das in der Morgensonne strahlte.
    Meine Mutter war davon unbeeindruckt und widmete sich nun dem kleinen Hügel zur S-Bahn-Haltestelle, auf dessen einer Seite die Kleingärten lagen und sich auf der anderen ein zugewuchertes Grundstück befand, das zugegebenermaßen nicht sonderlich einladend wirkte.
    »Bitte sag mir nicht, dass du hier abends alleine entlangläufst. Das ist ja eine total finstere Ecke, viel zu gefährlich. Um Himmels willen, wo haben wir dich da bloß hingelassen? Wieso bist du nicht zu Signor Colluti gezogen, wie es vereinbart war? Nichts als Ärger hat man mit dir. Und erst diese beschwerliche Zugreise. Am besten, du packst deine Sachen, und wir fahren gleich heute Abend wieder nach Hause zurück.«
    Die Tirade wollte nicht enden, und allmählich beschlich mich die Angst, dass ich tatsächlich am Abend mit gepackten Koffern am Bahnsteig des Münchner Hauptbahnhofs stehen und diese Stadt zum letzten Mal sehen würde.
    »Aber mamma «, versuchte ich sie zu beschwichtigen, »jetzt komm doch erst einmal hier an. Wir gehen jetzt hoch und kochen uns einen caffè, und dann frühstücken wir gemütlich. Okay?«
    »Frühstücken? Gemütlich? Was ist denn mit dir passiert? Du hast noch nie gefrühstückt. Hat dich dieses Deutschland denn völlig verrückt werden lassen? Isst du inzwischen morgens etwa auch Wurst und Käse?«
    Es war aussichtslos. Egal was ich sagte, ich machte es nur noch schlimmer. Meine Mutter war offensichtlich wild entschlossen, alles und jeden furchtbar und schrecklich zu finden, und war ständig auf der Suche nach weiteren Anhaltspunkten für meine drohende seelische wie körperliche Verwahrlosung.
    Frau Griesmayer, die uns in typisch bayerischer Hausfrauentracht im Hausflur ein lautes »Griasgod« entgegenschmetterte, machte leider auch keinen Boden gut.
    »Was ist mit dieser Frau?«, zischte mamma entsetzt, nachdem sie selbstverständlich ein zuckersüßes »Buon giorno« erwidert hatte. »Wieso trägt sie diesen komischen Kittel und ein Kopftuch? Und diese Schuhe«, sie deutete auf die Birkenstocks, »hat die Ärmste ein schlimmes Fußleiden?«
    Ich gab mir redlich Mühe, nicht mit den Augen zu rollen, was mir nur gelang, weil ihr Gepäck so schwer war, dass ich damit fast nicht die Treppe in den ersten Stock hochgekommen wäre. Was hat sie nur dabei?, fragte ich mich. Sie will doch angeblich nur zwei Tag bleiben? Ehrlich gesagt verstand ich die komplette Aktion nicht. Vermutlich war sie gekommen, um mich höchstpersönlich wieder in »ein Land mit Kultur«, wie sie sich am Telefon mal ausgedrückt hatte, zu überführen. Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sie sich nur mit eigenen Augen davon überzeugen wollte, wie ihre Tochter hier lebte, weil sie meinen Berichten nun nicht mehr traute, und dann unverrichteter Dinge wieder abzog. Dafür reiste meine Mutter viel zu ungern und hätte niemals die beschwerliche Zugfahrt auf sich genommen.
    Jedenfalls hatte sie mit ihrer überraschenden Stippvisite alles durcheinandergebracht. Ich hätte heute ein wichtiges Seminar an der Uni gehabt, in dem ich noch eine Hausarbeit schreiben wollte, und auch bei den beiden Vorlesungen im Anschluss konnte ich mir eigentlich keine weiteren Fehlstunden erlauben. Aber vielleicht war das ja nun eh alles egal.
    Isabelle, die uns schon an der Tür erwartete, packte ihre Italienischkenntnisse aus und zeigte wirklich vollen Einsatz, doch sie war mamma irgendwie zu deutsch angezogen, was ich sofort an dem leicht abschätzigen Blick bemerkte, mit dem sie meine Freundin bedachte. Zum ersten Mal ging mir die oberflächliche Art, mit der Italiener gerne alles und jeden be- oder vielmehr verurteilen, auf die Nerven. Merkte mamma denn nicht, dass sie sich hier eine Fehleinschätzung nach der nächsten erlaubte? Wieso sah sie nicht genau hin, sondern begnügte sich mit dem ersten und in aller Regel falschen Eindruck?
    War
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