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Macabros 040: Tal der tausend Foltern

Macabros 040: Tal der tausend Foltern

Titel: Macabros 040: Tal der tausend Foltern
Autoren: Dan Shocker
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Als das Telefon klingelte, fuhr Spencer Loredge zusammen, als
hatte ein Peitschenschlag ihn getroffen.
    Der Blick des dreiundfünfzigjährigen Wissenschaftlers
flog nicht zu dem rasselnden Apparat, sondern zur Uhr.
    Wenige Minuten nach zehn Uhr abends. Er konnte sich nicht daran
erinnern, daß in den letzten Jahren jemand nach neun Uhr noch
angerufen hatte.
    Spencer Loredge war bekannt dafür, daß er es nicht
liebte, nach neun Uhr abends gestört zu werden. Jeder in seinem
Freundes- und Bekanntenkreis hielt sich daran.
    Wer konnte jetzt noch anrufen?
    Loredge erhob sich von der Couch, auf der er im Schlafrock lag und
in einem wissenschaftlichen Werk blätterte. Seine Frau saß
im Sessel neben der Stehlampe und war eingenickt.
    Als das Telefon zum dritten Mal anschlug, zuckte auch sie
zusammen.
    Loredge meldete sich kühl und reserviert. Er war fest
überzeugt davon, daß sich einer einen dummen Scherz
erlaubte, oder daß es eine falsche Verbindung war.
    »Spencer? Ich bin’s. Lee.«
    »Lee? Welcher Lee? Ich…« Da fuhr Spencer zum
zweiten Mal zusammen. Diesmal erschrak er.
    »Lee – Brown?«
    »Ja.«
    Das konnte nicht währ sein. Der Kollege war vor über
einem Jahr plötzlich spurlos verschwunden. Die Suche nach ihm
war eingestellt worden.
    Und jetzt meldete er sich, als wäre überhaupt nichts
gewesen?
    »Wo kommst du her, Lee? Von wo aus rufst du an?« Die
Fragen drängten sich automatisch Loredge auf, ehe sie ihm
bewußt wurden.
    »Ich komme aus Ägypten, Spencer. Und im Moment halte ich
mich in meinem alten Arbeitszimmer im British Museum auf.«
    »Lee, das ist unmöglich. Wieso…«
    »Wieso ich hier hereinkomme?« fiel Lee seinem
Gesprächspartner ins Wort, als dulde das, was er zu sagen hatte,
nicht den geringsten Aufschub. »Ich hatte meine Schlüssel
noch. Aber die habe ich nicht einmal gebraucht. Wenn wir uns sehen,
wirst du schnell begreifen, weshalb ich keine Schlüssel
benötige, um hier hereinzukommen. Ich möchte dir einen
Vorschlag machen, Spencer: zieh die Hausschuhe aus und komm hierher.
Ich habe die Absicht, eine kleine Party, zu veranstalten – hier
und jetzt. Du hörst richtig. Ich möchte dazu noch Sean und
Walter einladen, alle die, die damals der Gruppe angehörten,
welche im Tal der Könige nach dem unterirdischen Grabmal des
Somschedd suchten. Du bist der erste, den ich anrufe,
Spencer…«
    Loredge zog hörbar die Luft durch die Nase. »Aber mitten
in der Nacht, Lee? Das ist bestimmt ein Scherz. Du warst sehr lange
weg. Erinnerst du dich denn nicht mehr daran? Du wirst Ruhe brauchen.
War können uns doch auch morgen sehen…«
    »Mitten in der Nacht ist erst in zwei Stunden, Spencer. Mein
Anruf ist kein Scherz. Ich weiß sehr genau, was ich tue und was
ich will. Daß ich mich jetzt und auf diese Weise melde, ist
sicherlich ungewöhnlich. Aber du wirst alles verstehen, wenn du
herkommst. Mein Vorhaben duldet keinen Aufschub. Morgen kann es zu
spät sein.«
    Er redete schneller, als es seine Art war. Man hörte seiner
Stimme eine starke Erregung an.
    Das Ganze kam Spencer Loredge wie ein Traum vor.
    Da meldete sich ein Kollege, nach dem die Polizei gefahndet hatte
wie nach einer Stecknadel im Heuhaufen – und der tat, als
wäre seine Rückkehr überhaupt nichts Besonderes.
    Mit Lee Brown stimmte etwas nicht. Spencer versuchte, ganz ruhig
zu bleiben. »Sieh mal, du bist erst heute abend
zurückgekommen und schon…«
    Wieder fiel Brown ihm ins Wort. »Ich bin seit einer Minute
zurück, Spencer, wenn du es genau wissen willst.«
    »Das ist ausgeschlossen. Übertreib nicht.« Loredge
sprach mit ihm wie mit einem Schüler, den er beim Aufschneiden
erwischt hatte. »Allein vom Flughafen benötigst du eine
gute halbe Stunde, um nach London reinzukommen, und
dann…«
    »Es ist so, wie ich dir sage, Spencer. Ich bin seit einer
Minute zurück. Und ich habe den Airport nicht
benötigt«, fiel Lee Brown dem Wissenschaftler ins Wort.
»Aber all das will ich dir nicht hier am Telefon plausibel
machen. Deshalb bitte ich dich, herzukommen. Ich möchte dir und
den anderen etwas zeigen, was sich schlecht durch Worte Erklären
läßt und was sich vielleicht auch nicht wiederholen
läßt…«
    »Warum so geheimnisvoll, Lee? Was ist los mit dir?«
    »Komm, Spencer. Und du wirst alles erfahren. Aber komm
sofort. Ich werde nämlich noch heute nacht nach Ägypten
zurückkehren.«
    »Lee!«
    »Ich rede keinen Unsinn und bin auch nicht verrückt. Ihr
könnt dabei sein, wenn Ihr wollt. Deshalb bitte ich
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