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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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abwehrende Handbewegung. »Bemühen Sie sich nicht, ich finde schon zu meinem Wagen.«
    Dann blieb er vor Major Smythe stehen, blickte auf ihn herab und sagte ein wenig rauh - Smythe glaubte, er wollte seine Verlegenheit kaschieren: »Es wird wohl eine Woche dauern, bevor Sie jemand abholt.«
    Er wandte sich ab und ging durch das Haus zu seinem Wagen. Major Smythe hörte den Anlasser surren, dann knirschte der Kies auf dem ungepflegten Fahrweg.
    Major Smythe schwamm langsam das Korallenriff entlang und hielt nach seiner Beute Ausschau. Dabei dachte er über Bonds Abschiedsworte nach.
    Aus einem Loch im Riff beobachtete ihn aufmerksam das große Auge in dem verwittert aussehenden braunen Sack. Die Spitze eines Tentakels tastete sich behutsam vor, die rosa Saugnäpfe nach oben gerichtet.
    »Schön ruhig, mein Freund«, sagte Major Smythe zu dem Octopus. »Wenn du Glück hast, kriegst du heute noch einen richtigen Leckerbissen.«
    Er hatte das laut gesagt. Das Glas seiner Pirelli-Tauchermaske beschlug. Er setzte die Füße mit den Schwimmflossen neben dem kuriosen Negerkopf in den Sand und richtete sich auf. Das Wasser reichte ihm bis unter die Achseln. Er nahm die Maske ab, spuckte auf die Innenseite des Glases, spülte es sauber ab und zog sich die Atemmaske wieder über den Kopf. Schade - er hätte zu gern mit dem Octopus Freundschaft geschlossen. Noch ein Monat vielleicht... aber soviel Zeit blieb ihm nicht mehr. Sollte er es riskieren, ihm die Hand zu reichen statt des üblichen Brockens Fleisch auf dem dreizackigen Spieß? Ihm sozusagen die Hand schütteln? Nein, Octopussy, lieber nicht! Der Fangarm würde ihn sicher nach unten ziehen. Ein halber Meter leichte schon, dann schloß sich automatisch das Korkventil der Tauchermaske, und er mußte elend ersticken. Riß er sich die Maske vom Gesicht, dann ertrank er. Mit dem Speer war gegen den Octopus auch nicht viel auszurichten.
    Nein - später vielleicht. Im Augenblick war ihm nicht nach Russischem Roulett.
    Außerdem hatte er Professor Bengry etwas versprochen. Er schwamm weiter.
    Wie hatte James Bond seine letzten Worte gemeint? War das der übliche, gemeine Trick, einen für schuldig befundenen Offizier mit seinem Revolver allein zu lassen? Wenn Bond gewollt hätte, so hätte er doch nur die Regierung in Kingston anrufen müssen. Die hätten einen Offizier des JamaikaRegiments herausgeschickt, um Major Smythe festzunehmen. Eigentlich war das in gewisser Weise sehr nett von James Bond
    - oder nicht? Ging es ihm darum, daß ein Selbstmord die ganze Geschichte einfacher bereinigen, viel Papierkrieg und eine Menge Steuergelder sparen würde? Sollte er mitspielen und die Sache auf »ordentliche« Art und Weise erledigen? Oder sollte er lieber alles auf sich nehmen - die entwürdigenden Formalitäten, die Schlagzeilen und die graue Langeweile einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe bis zum unweigerlichen dritten Herzinfarkt?
    Oder sollte er um seine Freiheit kämpfen? Sich auf die Kriegszeiten berufen, einen Kampf mit Oberhauser erfinden, einen Fluchtversuch, bei dem er ihn erschossen hatte? Sollte er behaupten, Oberhauser hätte von dem Goldschatz gewußt und er, der arme kleine Offizier, hätte der plötzlichen Versuchung eines so unerwarteten Reichtums nicht widerstehen können? Sollte er an die Gnade der Richter appellieren?
    Plötzlich sah sich Major Smythe vor den Schranken des Gerichts stehen, eine stolze, aufrechte Figur in der blau-roten Galauniform mit allen Auszeichnungen und Medaillen, dem traditionellen Aufzug für Gerichtsverhandlungen. Oder waren schon die Motten in der Uniform? War sie in dem feuchten Klima vielleicht verschimmelt? Luna mußte sie heraussuchen und auslüften lassen, dann gut ausbürsten und aufbügeln. Mit Hilfe seines Korsetts paßte er sicher noch in die dreißig Jahre alte Paradehose.
    Die Verhandlung fand vermutlich in Chatham statt. In Anbetracht seines Ranges war sein Verteidiger sicherlich mindestens Oberst, ein netter, aufrechter Bursche, der eine Menge erreichen k>nnte. Blieb immer noch die Möglichkeit einer Berufung. Vielleicht wurde sogar ein berühmter Fall daraus, etwas für die Illustrierten auf der ganzen Welt. Dann würde er ein Buch darüber schreiben... Major Smythe wurde von Erregung gepackt. Langsam, alter Junge! sagte er sich warnend. Immer langsam mit den wilden Pferden!
    Jetzt brauchte er zunächst einmal einen Skorpionfisch für seinen Freund, den Octopus. Die anderen Probleme konnte er nach ein paar Drinks,
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