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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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Dann stand er vor der Leiche. Im Laufe des Krieges hatte er viele Tote gesehen, und Blut und gebrochene Knochen rührten ihn nicht. Er schleppte Oberhausers sterbliche Überreste zur nächsten ausreichend tiefen Gletscherspalte und warf sie hinein. Dann umrundete er vorsichtig den Rand der Spalte und schlug mit dem Absatz auf der anderen Seite eine überhängende Schneewächte los. Der Schnee begrub die Leiche.
    Zufrieden mit seiner Arbeit, kehrte Major Smythe genau in seinen alten Fußspuren zum Rand des Gletschers zurück und stieg zur Aufschlagstelle der Munitionskiste hinunter. Der Berg hatte ihm die Arbeit abgenommen; der Deckel war aufgesprungen. Beinahe lässig riß er die Verpackung aus fester Pappe auf. Die beiden großen Metallblöcke blitzten ihm im Sonnenlicht entgegen. Er erkannte den Prägestempel der Deutschen Reichsbank, das Hakenkreuz im Kranz mit dem Adler darüber. Darunter das Jahr 1943. Major Smythe nickte zufrieden, stopfte die Verpackung wieder in die Munitionskiste und hämmerte den verbogenen Deckel mit einem Stein zurecht, bis er wieder halbwegs schloß. Dann band er das Halfter seiner Webley um einen der Griffe und stolperte den Berg hinunter, wobei er die Kiste mühsam hinter sich herzerrte. Es war inzwischen dreizehn Uhr. Die Sonne brannte unbarmherzig auf ihn herab. Stirn, Hals und Brust röteten sich und begannen zu brennen. Zum Teufel damit! Er hielt am Abfluß des Gletschers an, tauchte sein Taschentuch ins eiskalte Wasser und band es sich um die Stirn. Dann trank er ein paar lange Züge und machte sich wieder auf den Weg. Ab und zu, wenn die Munitionskiste ihn zu überholen suchte und gegen seine Fersen schlug, fluchte er vor sich hin. Aber diese kleinen Unbequemlichkeiten waren ein Kinderspiel im Vergleich zu der Anstrengung, die ihn erwartete, wenn er erst einmal ebenes Gelände erreichte. Noch half ihm die Schwerkraft, doch dann kamen ein oder zwei Kilometer, wo er das verdammte Zeug schleppen mußte.
    Aber schließlich kann man schon einige Strapazen auf sich nehmen, wenn man dafür zum Millionär wird! Als er ebenes Gelände erreichte, setzte er sich erst einmal unter einen Baum ins Moos und ruhte sich aus. Dann breitete er sein Buschhemd aus und wuchtete die beiden Goldbarren aus der Kiste. Er legte sie mitten auf das Hemd und band die Hemdschöße fest an die Schultern. Er grub ein flaches Loch in den weichen Boden, ließ die leere Munitionskiste darin verschwinden, knotete die beiden Hemdsärmel fest zusammen, kniete nieder und schob den Kopf durch die ungefüge Schlinge. Seine Hände steckte er links und rechts in die Ärmel, um seine Gurgel zu schützen. Dann raffte er sich auf und mußte sich weit vorbeugen, um nicht von dem Gewicht nach rückwärts gerissen zu werden. Keuchend und stolpernd, mit brennendem Rücken, gebückt unter der schweren Last wie ein Kuli, schlurfte er unter den Fichten und Tannen den sanft geneigten Weg hinunter. Er konnte sich später nicht mehr erinnern, wie er es bis zum Jeep schaffte. Immer wieder gaben die Knoten an seinem Hemd unter dem Gewicht nach, und die Barren fielen ihm auf die Fersen. Dann hatte er trübsinnig dagesessen, den Kopf mutlos in beide Hände gestützt, um danach doch wieder von vorn zu beginnen. Schließlich teilte er sich seine Schritte genau ein und rastete nach jedem hundertsten. Als er den Wagen erreichte, brach er erleichtert daneben in die Knie.
    Danach mußte er seinen Hort noch im Wald vergraben und ein paar auffallende Felsbrocken darüberhäufen, die er auf alle
    Fälle wiederfinden würde. Er säuberte sich, so gut es ging, und kehrte auf einem Umweg zur Vermeidung des Hofs der Oberhauser in sein Quartier zurück. Erledigt! Er betrank sich mit einer Flasche billigem Schnaps, aß ein paar Bissen und sank dann benommen ins Bett.
    Am nächsten Morgen rückte das Sonderkommando A weiter nach Mittersill, um dort eine neue Fährte zu verfolgen. Sechs Monate später hielt sich Major Smythe wieder in London auf. Der Krieg war für ihn vorbei. Aber seine Probleme blieben.
    Gold ist nicht leicht zu schmuggeln, vor allen Dingen nicht in der Menge, über die Major Smythe verfügte. Es kam darauf an, die beiden schweren Barren über den Kanal zu schaffen und ein neues Versteck dafür ausfindig zu machen. Er schob seine Entlassung hinaus, behielt die roten Streifen seines vorläufigen Dienstranges und vor allen Dingen seinen Geheimdienst-Paß und war schon bald wieder in Deutschland, diesmal als britischer
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