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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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seiner
    Säuberungsaktion durch ist, wird er unter Preis verkaufen und anderswohin ziehen. Eigentlich schade drum! Belair war ein so schöner Besitz! Man hätte ihn wieder hochbringen können, wenn jemand aus der Familie nur gewollt hätte!«
    »Zu den Zeiten von Bills Großvater waren es noch viertausend Hektar.«
    »Was kümmert das Bill? Wetten, daß er die Fahrkarte nach London schon in der Tasche hat? Dann ist eben wieder eine von den alten Familien fort. Außer uns wird bald niemand mehr übrig sein. Gottlob, daß wenigstens Judy gern hier ist.« Besänftigend sagte Mrs. Havelock: »Ganz recht, mein Lieber«, und schellte, damit das Teegeschirr abgeräumt werde. Agatha, eine riesige, blauschwarze Negerin mit altmodischem weißen Kopftuch, wie es auf Jamaika nur mehr in den inneren Landstrichen getragen wird, erschien durch den weiß-rosa Salon, gefolgt von Fayprince, einer hübschen, jungen Quadrone aus Port Maria, die als zweites Hausmädchen angelernt wurde. Mrs. Havelock sagte: »Jetzt müssen wir bald mit dem Einkochen beginnen, Agatha. Die Guavas sind diesmal früh dran.« Agathas Gesicht blieb unbewegt: »Ja, Ma'm. Aber wir wer'n mehr Gläser brauchen.«
    »Wieso? Ich hab dir doch erst letztes Jahr zwei Dutzend mitgebracht, von den besten, die Henriquez führt!«
    »Jawohl, Ma'm. Von die sind fünfe, sechse zerschmissen.«
    »Du lieber Gott, wie ist denn das passiert?«
    »Weiß nicht, Ma'm.« Agatha nahm das große Silbertablett auf und wartete, den Blick auf Mrs. Havelocks Gesicht geheftet. Mrs. Havelock hatte zu lange auf Jamaika gelebt, um nicht zu wissen, daß zerschmissen eben zerschmissen ist und daß es keinen Zweck hat, nach dem Schuldigen zu forschen. So sagte sie munter: »Na schön, Agatha. Ich besorg dir noch welche, sobald ich nach Kingston komme.«
    »Jawohl, Ma'm.« Und zusammen mit dem jungen Mädchen
    verschwand Agatha wieder im Haus.
    Mrs. Havelock griff nach ihrer Petit-Point-Stickerei und begann automatisch daran zu arbeiten, wobei sie zu den großen Sträuchern hinüberblickte. Ja, die beiden Kolibrimännchen waren wieder da. Mit anmutig gespreizten Schwanzfedern umflatterten sie die Blüten. Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, und da und dort blitzte immer wieder jenes juwelenhafte, durchdringende Grün auf. Eine Nachtigall im Jasminwipfel begann ihr Abendlied, und das Quaken eines ersten Laubfrosches kündigte die kurze, veilchenfarbene Dämmerung an. Content, ein Landsitz von achttausend Hektar, lag in den Ausläufern des Candlefly Peak, eines der östlichsten Gipfel der Blue Mountains in der Grafschaft Portland. Der Besitz war einem frühen Havelock von Oliver Cromwell überschrieben worden zum Dank dafür, daß auch er das Todesurteil König Charles' unterzeichnet hatte. Ungleich so vielen Pflanzern aus damaligen und späteren Zeiten hatten die Havelocks ihre Pflanzung über drei Jahrhunderte gebracht, durch Erdbeben und Hurrikane, durch Hausse und Baisse von Kakao, Zucker, Zitronen und Kopra. Derzeit waren es Bananen und Rinder, und Content war eine der reichsten und bestgeführten Privatbesitzungen auf der Insel. Das Haus, nach jedem Erdbeben oder Hurrikan wieder ausgebessert oder neu errichtet, war ein dementsprechendes Gemisch: der Mitteltrakt, mit Mahagonistützen auf den alten Steinfundamenten ruhend, war zweigeschossig und wurde von zwei ebenerdigen Flügeln mit weit vorragenden, flachgeneigten, mit Zederschindeln gedeckten Jamaikadächern flankiert. Und so saßen die Havelocks jetzt auf der breiten Veranda des Mitteltrakts und blickten auf den sanft abfallenden Garten, hinter dem die ungeheure Dschungelwildnis sich dreißig Kilometer weit bis hinunter ans Meer erstreckte.
    Oberst Havelock legte die Zeitung beiseite. »Mir war doch, als hätte ich einen Wagen gehört?«
    Energisch sagte Mrs. Havelock: »Wenn es diese widerlichen Feddens aus Port Antonio sind, dann sieh zu, daß du sie loswirst! Ich kann dieses Englandgeschwafel nicht mehr aushalten. Letztesmal gingen sie erst, als sie total blau waren und das Dinner längst kalt war!« Sie erhob sich rasch. »Ich sage Agatha nur Bescheid, daß ich Migräne habe.«
    Aber eben trat die Genannte durch die Salontür heraus. Sie wirkte aufgeregt, denn drei Männer kamen hinter ihr her. Eilig sagte sie: »Herrn aus Kingston, Ma'm. Woll'n zu Herrn Oberst.«
    Der vorderste der drei schlüpfte an der Haushälterin vorbei. Er trug noch seinen Hut, einen Panama mit schmaler, stark aufgebogener Krempe. Jetzt nahm er ihn mit
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